18. Kapitel

Gottes Sohn spricht zur Braut, die für einen König betet, und sagt: „Wenn dieser König dafür arbeiten will, die Seelen zu bekehren, verordne ich ihm zwei Berater, die das Reich lenken sollen. Der erste liebt mich mehr als sich selbst und das Seine und ist auch bereit, für mich zu sterben. Der andere hat nun die Hörner des Lammes angenommen und ist bereit, mir zu gehorchen, ja nicht dem Fleisch zu gehorchen, sondern dem Geist.

Aber nun kannst du fragen, warum ich meine Freunde dem Leiden aussetze. Ich will dir mit einem Gleichnis antworten. Stell dir vor, dass es einen Herrn gibt, der einen Wald oder eine Ödemark besitzt, die von einer Mauer umgeben sind. Innerhalb der Mauer gibt es ungezähmte Tiere, und außerhalb der Mauer Schafe. Und die Mauer hat viele Öffnungen, und es sind zwei Lücken bei jeder Öffnung, und drei versteckte Löcher bei jeder Öffnung.

Dieser Herr, der sich um seine Schafe kümmert, sagt zu seinen Dienern: „O meine Diener, ihr wisst, dass meine Schafe einfältig sind, und dass diese wilden Tiere raubgierig sind. Steht daher und bewacht die Löcher und die Öffnungen, so dass sich die wilden Tiere nicht durch die Mauer drängen und den Schafen schaden. Ihr dürft nicht müde sein, zu arbeiten oder träge zum Wachen sein; eure Stimme muss sein wie ein Horn, und ihr sollt ständig einen Stock in der Hand haben, so dass die wilden Tiere, die an die Schafe heranzukommen suchen, Angst bekommen.“

Die Diener, die den Befehl ihres Herrn erhalten hatten, gehorchten willig. So rief der Gutsbesitzer seinen Jäger und sagte zu ihm: Geh mit den Hunden hinaus in meinen Wald, und laß die Tiere den Klang des Horns hören, und erschrecke sie mit deinem Ruf!“ Als die Diener den Klang des Horns hörten, sagten sie: „Hört, das ist die Stimme des Jägers unseres Herrn. Laßt uns also eilends aufstehen, und wir wollen nun nicht furchtsam oder säumig sein. Unsere Hand soll bereit sein, zuzuschlagen, unsere Stimme, um zu rufen, und unser Auge sei wachsam und klar. Wo wir vorher andere angestellt haben, und die Schafe zu hüten, da wollen wir uns selber stellen.

Ich, Gott selbst, bin wie dieser Herr. Die Ödemark oder der Wald ist die Welt. Sie ist voll von wilden und ungezähmten Tieren, d.h. von Menschen, die ohne Gesetz, ohne Liebe, ohne Gedanken an Gott lieben und bereit zu allem bösen sind. Eine Mauer von unerhörtem Ausmaß und unerhörter Festigkeit umgibt diese Welt, denn die Menschen missbrauchen Gottes Geduld, betreiben wiederholte Maße ihre Bosheit und verhärten sich darin.

Außerhalb der Mauer sind meine Freunde, die von Liebe zu mir entzündet sind, meinen Spuren folgen und meine Weideplätze aufsuchen. Innerhalb der Mauer sind die, deren Gewinnlust jedes Maß überschreitet, die das Geschaffene dem Schöpfer vorziehen, den Körper lieben, aber nicht die Seele, die nach dem Gegenwärtigen trachten, aber nicht nach dem künftigen Guten.

Die Öffnungen in dieser Mauer sind Falschheit, Wucher und Bosheit, die weder den Vater noch den Sohn schont, sondern so große Macht über viele haben, dass sie es für das größte Glück halten, das Zeitliche zu gewinnen und sich um die ewige Herrlichkeit nicht kümmern. Die beiden Lücken an der Öffnung sind zwei Unsitten auf der Welt. Die erste ist geistig die zweite körperlich.

Die erste besteht darin, anderen durch Worte oder Taten ein Beispiel zum Sündigen zu geben. Die zweite, d.h. die körperliche, besteht teils darin, dass man es unterlässt, die Sünde wegen Geschenken, wegen Gunst oder Ehre oder aus Furcht vor irdischen Dingen zu strafen, teils darin, die offenbare Sünde wegen des eigenen Nutzens oder irgendeines weltlichen Guts nicht zu strafen. Die dritten versteckten Löcher sind die drei Wünsche böser Menschen. Sie wollen nämlich entweder ihren Mitmenschen schaden, ihre Ehre kränken oder ihren Gütern und Freunden schaden.

Der Jäger bedeutet Gottes Gerechtigkeit, die offenbart werden wird. Seine Stimme wird sein: „Gib es hart den Harten und weich den Weichen.“ Die begleitenden Hunde sind ungerechte Menschen, die Gott – obwohl sie schlecht sind – zum Guten benutzen, doch nicht für sich selbst, sondern für die, die gereinigt werden sollen. Sie sind wahrlich wie unersättliche Hunde, die gewohnt sind, die Schafe zu hassen, sie mit den Hörnern der Hoffart zu stoßen, ihnen die Wolle auszureißen und sie unter ihre Füße zu trampeln.

Und weil das Reich dieses Königs zu dieser Ödemark oder dem Wald gehört und mehr wilde und ungezähmte Tiere hat als Schafe, deshalb will ich meine Freunde als Wächter für meine Schafe anstellen. Sie sollen bereit sein, Barmherzigkeit gegenüber dem Demütigen zu üben, aber Strenge mit den Verhärteten, und gerecht gegenüber allen zu sein.

Übrigens sollen meine Freunde sich vor den Wächtern hüten, die neben den Löchern stehen, Spieße in den Händen haben und diese hoch schwingen, während die wilden Tiere und Feinde durchbrechen, und, wenn sie vorbeigesprungen sind, mit lauten Rufen in den Boden stoßen, damit es aussieht, als hätten sie sich mannhaft benommen. Das sind die Wächter, die sich nicht um die Seelen kümmern, sondern nur um die Wolle, sie sich nicht um die Sünder kümmern, sondern sie nur ganz leicht tadeln, um anderen zu gefallen und die gemütlich schlafen, statt die Sünder zur Rechenschaft zu ziehen.

Aber meine Freunde sollen gewissenhaft arbeiten, damit die Gerechtigkeit beachtet wird, das Volk geliebt wird, Gottes Ehre vermehrt wird, und aufsässige und gottlose Menschen bestraft werden. Es ist ihnen nicht erlaubt, zu wissen, ob die Stimme meiner Gerechtigkeit in ihren Tagen kommen wird oder nicht, sondern sie sollen mannhaft feststehen und kräftig rufen. Ich, der Gott der Wahrheit, werde ihnen den Lohn der Wahrheit geben.“