4. Kapitel

Gottes Sohn spricht zur Braut und sagt: „Ich habe dem König vorher ein paar Stufen mitgeteilt, auf denen er zum Himmel aufsteigen kann. Ja, wenn er ihnen folgt und auf sie achtet, kann er mit ebenso großer Leichtigkeit zum Himmel aufsteigen wie der, der ein kontemplatives Leben führt.

Nun will ich ihm aber zehn Ratschläge geben. Der erste ist, dass er nicht allein an seinem Tisch sitzt, sondern zusammen mit einigen seiner Untergebenen, die durch seine Gegenwart geistige und leibliche Freude haben können. Dadurch werden sie nämlich von Sünden und Ungehörigkeiten abgehalten.
Der zweite Rat ist, dass er, nachdem er vom Tisch aufgestanden ist, eine Weile stehen bleibt und sich in ehrbarer Weise mit seinen Männern unterhält, denn durch ein demütiges und vertrauliches Gespräch gewinnt er die Liebe und das Wohlwollen seiner Diener. Und bei der Gelegenheit kann er deren Gründe und Meinungen hören, ob sie nun befolgt oder abgelehnt werden müssen.

Der dritte Rat ist, dass er barmherzig und gerecht in allen seinen Urteilen und Taten ist, so dass er nicht versäumt, Gerechtigkeit aus Freundschaft oder falschem Mitleid zu üben, auf Grund von irgendeinem zeitlichen Vorteil oder aus Furcht, und auch die Barmherzigkeit aus Zorn oder Ungeduld nicht versäumt oder vergisst, denn es passt schlecht zu einem König, sich vom Zorn besiegen zu lassen, und für den Richter nicht, ein schnelles Urteil zu fällen, oder sich durch Bitten vom Weg der Gerechtigkeit weglocken zu lassen.

Der vierte Rat ist, dass der König die Verwaltung und Rechtsprechung nicht solchen Leuten anvertraut, von denen er weiß, dass sie parteiisch oder habgierig sind oder auf heimtückische Weise verstehen, Geld zu erpressen – solche Menschen kommen ja leicht von der Gerechtigkeit ab. Stattdessen soll der König sich an die halten, die von Natur aus wohlgeartet sind, die auf den guten Spuren ihrer Ahnen gehen, und die mehr Wert auf Taten der Gerechtigkeit legen, als darauf, selber reich zu werden.

Der fünfte Rat ist, dass der König ständig prüft, wie Gesetz und Recht in seinem Reich beachtet werden, und nicht unterlässt, die dagegen verstoßen, ungestraft zu lassen, wenn er dazu in der Lage ist. Und er soll sich davor hüten, zu viel Geld zu verlangen, und von denen, die sich vergangen haben, zu hochen Schadenersatz zu fordern, und er soll die Unschuldigen nicht durch schlaue Kniffe unterdrücken, sondern soll den Demütigen gegenüber milder handeln, und die Verhärteten soll er strenger bestrafen, während er in allem Gerechtigkeit und Barmherzigkeit walten lässt. Und wo er sieht, dass die Demut größer ist, da soll er Barmherzigkeit vor Recht ergehen lassen.

Der sechste Rat ist, dass der König ständig seine Urteile und Handlungen überprüft. Und wenn er merkt, dass er durch die hastige Eingebung seines Sinnes einen Fehler gemacht hat, soll er sich nicht scheuen, das, was schlecht gemacht wurde, Zurechtzubringen oder zu widerrufen. Denn er ist ja doch nicht weiser als David, der sich auch vertan hat, und auch nicht frommer als der Prophet, der einer Lüge vertraute und vom Löwen getötet wurde.

Der siebente Rat ist, dass er nicht allzu hastig in seinem Handeln ist, sondern vorausblickend und bedachtsam, indem er den Ausgang der Angelegenheiten bedenkt und sich auf den Rat der Weisen, Erfahrenen und Gottesfürchtigen verlässt; denen soll er gehorchen und sich nicht von ihnen fernhalten, denn es zeugt von einem entarteten und misstrauischen Sinn, erprobten Ratgebern zu misstrauen und mit anschmiegsamen Schmeichlern die Ratschläge durchzuhecheln, die nach kluger und reifer Überlegung gegeben werden.

Der achte Rat ist, dass er sich vor aller Leichtfertigkeit in Wort und Sitten in Acht nimmt, ja auch bei seinen Dienern und Vertrauten, und Schmeichlern und Kriechern wie Skorpionen aus dem Wege geht, denn die bestärken ihn in seinen Sünden und verärgern die Guten. Ein König muss so sein, dass er von den Jungen gefürchtet wird, von den Gerechten geliebt wird, und von denen, die bedrückt sind, innig ersehnt wird.

Der neunte Rat ist, dass der König keinen Umgang mit denen haben soll, die von der Kirche gebannt sind, oder die unterstützt, die Gott und seine Gebote verspotten, sondern sie mit liebevollen Worten und Ermahnungen unterweist – und wenn sie sich nicht bessern, seine Strenge zeigt und ihnen seine Wohltaten entzieht. Denn es ist des Königs Ehre, das Göttliche über alles zu lieben und mit all seinen Kräften Gottes Ehre zu vermehren.

Der zehnte Rat ist, dass er das Volk und die Gesellschaft in seinem Reiche liebt, seine Ritter milde behandelt und den Kindern die guten Taten ihrer Väter vergibt.“