47. Kapitel

Die Himmelskönigin offenbarte sich der Braut und sagte zu ihr: „Höre du, die geistliche Dinge vernimmt, und komm, um mit mir im Heiligen Geist zu reden! Ich bin wie ein Gefäß, das voll ist und noch mehr gefüllt werden kann. Denn wie ein Gefäß, das unter einem Wasserlauf steht, mit Wasser gefüllt wird, und wie dieses Gefäß, obwohl das Wasser darüber hinwegfliest, wegen der gleichmäßigen Strömung immer mit Wasser gefüllt ist, so wurde meine Seele, als sie geschaffen und mit dem Körper vereint wurde, von dem einfließenden Strom des Heiligen Geistes gefüllt, worauf sie nie mehr leer wurde. Deshalb wird ein jeder, der mit demütigem und reinen Herzen zu mir kommt, vom Heiligen Geist Hilfe erhalten.

Ich kann also mir Recht ein gefülltes Gefäß genannt werden. Denn als ich auf der Welt war, kam Gottes Sohn, mächtig wie ein Strom, zu meinem Leib, nahm von mir Fleisch und Blut an und weilte in mir, bis er von mir mit einer sochen Geburt geboren wurde, wie sie Gottes Sohn zustand. Und als er geboren wurde und in meine Hände kam, freuten sich die Engel und verkündeten Frieden auf Erden.

Dann musste mein Sohn das Leiden des Todes ertragen, indem seine Haut von Geißelschlägen zerrissen wurde, die Beine von Nägeln durchbohrt wurden und das Herz brach, wobei alle Glieder erstarben. Dieser Todesfall war so groß, dass die Macht des Teufels dadurch vermindert wurde, und die Pforten des Himmels sich öffneten.

Ich vergleiche das Leiden meines Sohnes mit einem Donner, dessen Nahen man hört, bevor der Knall kommt, und lange danach. Das Leiden meines Sohnes wurde nämlich durch den Mund der Propheten lange vorher verkündigt, ehe es stattfand; als er starb, hörte man den stärksten Donnerknall, und lange nach seinem Leiden hörte man davon, und es wurde davon gepredigt, und viele gaben mit Freude ihr Leben dafür hin.
Aber jetzt ist mein Sohn so vergessen, dass manche seinen Tod für gar nichts halten. Andere sagen, sie wüssten nicht, ob er stattgefunden habe oder nicht. Andere wissen davon, aber fragen nicht danach, und es sind wenige, die sich liebevoll an seinen Tod erinnern.

Aber damit das Leiden meines Sohnes von neuem in Erinnerung gebracht wird, sind die Worte Gottes, die dir von oben gegeben sind, in die Welt gekommen, und deshalb wurdest du zu diesem König von Schweden gesandt, der in vielen Schlingen der Sünde gefesselt ist. Nachdem er von der Macht des Teufels befreit war, führte ich ihn zu meinem Sohn und wollte ihn zu einem guten Streiter für Gottes Ehre machen.

Als der Teufel das sah, empfand er Bosheit auf ihn wie früher auf Mose, der im Wasser ausgesetzt wurde, aber dessen Korb von Gott ans Land gesteuert wurde. Obwohl Mose an der Zunge verbrannt wurde, redete er doch, was Gott wollte, floh aus Furcht nach Ägypten und kehrte durch göttliche Vorsehung zum Pharao zurück.

Ebenso verfuhr der Teufel mit dem König: Er warf nämlich eine stürmische Erregung in sein Herz, dass er ein großes Heer sammeln sollte und sich dann aber wegen Armut und Hunger aus dem Kampf zurückziehen sollte. Deshalb wurde ihm eine bestimmte Anzahl Menschen vorgeschrieben.
Weiter dachte der König durch Eingebung des Teufels so: „Gottes Freunde haben keinen Begriff von Kampf; Daher will ich Männer suchen, die vom Kampf etwas verstehen.“ Dann schickte ihm der Teufel viele von den Seinen, durch deren Rat er gelenkt werden sollte. So wurde dem König gezeigt, auf den Rat von welchen Menschen er hören sollte.

Man riet dem König auch, dass ihm Priester und Mönche von erprobtem Wandel folgen sollten. Und das geschah durch die Vorsehung des Heiligen Geistes, um die listigen Anschläge des Teufels unschädlich zu machen. Der Teufel wusste ja sehr genau, dass es noch nicht lange her war, als Gott zeigen wollte, wie sein Kampf geschehen sollte. Der Teufel weiß auch, dass es im Heidentum viele gibt, die sich mit ihren Irrlehren für groß halten, und er weiß auch, dass es viele gibt, die den heiligen katholischen Glauben kennenlernen möchten. Daher möchte er, dass – wenn die Zeit der Gnade gekommen ist – solche Menschen zu den Heiden gesandt werden, die ungebildet und voll Gier sind. Gottes Freunde, Priester und Mönche, müssen also in der Lage sein, den Heiden, die mit ihren Irrlehren kommen, mit geistlicher Weisheit zu antworten.

Viele andere Dinge sind dir auch gesagt worden, die nicht gleich in Erfüllung gehen werden; die Worte sollen stattdessen bis zu einer vorher bestimmten Zeit aufbewahrt werden. Gott hat dem Mose ja auch viele Dinge gezeigt, die nicht zu derselben Stunde in Erfüllung gingen. So wurde auch David zum König ausersehen, lange ehe er an die Macht kam, und deshalb sollten Gottes Freunde geduldig warten und in ihrer Arbeit nicht ermüden.

Wir haben auch gesagt, dass Brüder vom Orden des Dominicus, Franziskus und Bernhards zusammen mit dem König zu den Heiden gehen sollten. Diese drei Orden müssen erst zu den Heiden gerufen werden, denn von ihnen müssen Klöster gegründet werden, die mit aufrichtigen Herzen die Welt verschmähen und nichts anderes wollen, als Gott zu ehren und seine Freundschaft zu gewinnen.
Aber nun denken manche von diesen Brüdern so: „Wo ist das Volk, dem wir predigen sollen? Wo sind die Plätze, die bebaut werden sollen?“

Ebenso sagte Israel zu Mose: „Wo ist das verheißene Land? Es wäre besser gewesen, in Ägypten an den Fleischtöpfen zu sitzen, als in der Wüste durch Hunger und Strapazen zu vergehen!“ Trotzdem kam Israel zu guter Zeit in das Land, das ihnen verheißen war, obwohl manche murrten. Deshalb soll der König immer gottesfürchtige Priester und solche bei sich haben, die ihm freiwillig aus Liebe zu Gott folgen. Und er soll sich davor hüten, habgierige Priester zu haben, denn die sind wie raubgierige Vögel.

Aber nun höre, was ich, die Mutter der Barmherzigkeit, sagen werde. Der König, den ich früher meinen Sohn genannt habe, ist nun ein Sohn des Ungehorsams geworden. Zwei Reiche wurden ihm bestimmt, als er noch Kind war. Als er ins reife Alter gekommen war, regierte er ungerecht und machte alles ohne Verstand. Gott hatte aber immer Geduld mit ihm und erwies ihm auch geistlich Gutes, als er die Liebe seines Herzens Gott zuwandte.

Ich bitte ihn, sich an drei Dinge zu erinnern, die Gott mit ihm getan hat. Oft geschieht es, dass ein Embryo so fest am Mutterleib hängt, dass es auf keine Weise davon getrennt werden kann. Wenn die kluge Hebamme das gewahr wird, denkt sie: Wenn das Kind länger im Schoß der Mutter bleibt, so sterben beide, aber wenn sie voneinander getrennt werden, so kann das Kind doch leben, auch wenn die Mutter sterben würde. Und so macht die Hebamme sich ans Werk und trennt das Kind von der Mutter.

In derselben Weise war dieser König an seine Mutter, die Welt, gebunden, und wenn er länger bei ihr geblieben wäre, wäre er sicher den ewigen Tod gestorben. Aber ich, die Himmelskönigin, bin zum König gegangen und habe ihm von der Liebe zur Welt getrennt. Damit, dass ich zum König ging, verstehe ich den Eintritt des Heiligen Geistes in sein Herz, denn wo immer der Heilige Geist eintritt, da tritt der Vater mit dem Heiligen Geist und der Sohn mit dem Vater und dem Geist sowie die Mutter mit dem Sohne ein, denn jeder Mensch, der Gott in seinem Herzen hat, hat auch mich.

Ebenso unmöglich wie es ist, dass die drei Personen in der Dreieinigkeit zu trennen sind, so unmöglich ist es nämlich, dass ich, die Gottes Mutter bin, von Gott geschieden werde. Ich hatte ja Gottes Sohn mit Gottheit und Menschengestalt in mir. Deshalb hat Gott Vater mich in seiner Gottheit, und das Band unserer Liebe ist der Heilige Geist, der im Vater und im Sohn ist, und er ist in mir, und wir können nie getrennt werden. Als ich also auf diese Weise zum König ging, gab Gott Zerknirschung in sein Herz und Tränen in seine geistlichen Augen, was niemand erhalten kann, wenn nicht durch die göttliche Gnade.

Zweitens bitte ich den König, sich daran zu erinnern, welche Gnade in seinem Reich geschehen ist. Mein Sohn, der auf dem höchsten Thron der himmlischen Majestät sitzt, spricht ja oft mit dir, die in seinem Reich geboren ist, und diese Gnade habe ich dem König erworben, dass er Gott Ehre erweisen und seiner eigenen Seele nützen sollte. Ich habe ihm auch durch dich gezeigt, wie er sein Reich weise regieren und das Volk seines Reiches herzlich lieben soll, und wie er sein Leben körperlich und geistig zu Gottes Ehre führen soll.

Drittens bitt ich ihn, sich zu erinnern, wie er auserwählt wurde, den heiligen Katholischen Glauben zu den Heiden zu bringen, wenn er das will. Aber nun höre, was dieser König getan hat! Ich, die Mutter der Barmherzigkeit, habe diesen König meinen neuen Sohn genannt; neu deswegen, weil er so kürzlich zu heiligem Gehorsam gekommen ist. Und ich habe ihm durch dich versprochen, dass ich die Herrin und die Verteidigerin für sein Kriegsheer und sein Reich sein will, und dass ich ihn in Feindesland beschützen würde. So geschah es auch, denn durch Gottes Vorsehung herrschte Frieden in seinem Land durch meine Gebete. Und ich war mit ihm im Land seiner Feinde, indem ich seine mächtigsten Feinde an einer einzigen Stelle in diesem Land versammelte, um sie ihm zu übergeben.

Kurz darauf gingen aber die Werkzeuge des Teufels auf diesen König über, gefüllt mit böser Absicht und böswilligem Geist. Diese vertrauten mehr auf Menschenhände, als auf die Hilfe seines Schöpfers. Ihre Lust war mehr auf irdische Besitztümer gerichtet, als darauf, den Seelen zu helfen. Ihre Zunge erregte ihn dazu, Worte zu sprechen wie die Zunge des Judas, seinen Schöpfer zu verkaufen. Ihre Zähne wurden von den Fingern des Teufels aufgerissen, und ihre kalten Lippen waren mit teuflischem Gift beschmiert.

Deshalb schmeckte ihnen auch die göttliche Liebe nicht, sondern sie spuckten die Worte der Wahrheit aus und hatten Falschheit in ihrem Mund. Der König befolgte ihre bösen Ratschläge, sprengte vor und entfernte meine gesammelten Feinde aus meinen Händen, die dem heiligen Glauben widerstanden. So blieb ich mit leerem Schoß übrig. Ja, dieser König ließ die Wölfe laufen und ließ die Schafe in den Händen von Schlangen, die bereit sind, die Schafe zu zerreißen und jetzt mit einem Gift noch größerer Bosheit gefüllt sind.

Das wurde die Folge der falschen Anschläge des Teufels. Der König verschmähte ja den Rat der Freunde Gottes und folgte dem Rat fleischlicher Menschen. Und er achtete nicht auf Gottes Stärke und dachte nicht an meine Rat. So kehrte er ohne Gewinn zurück und bedrückte die Gesellschaft und das Volk in seinem Reich, wurde Gott und Menschen ungehorsam und treulos gegen sein Rittergelübde. Aber wie eine Mutter ihrem Sohn gegenüber leicht milde gestimmt wird, wenn dieser um Verzeihung bittet, so sage ich zu ihm: „Mein Sohn, wende dich an mich, und ich werde mich dir zuwenden. Steh auf von deinem Fall nachdem Rat der Freunde Gottes.
Dies ist der letzte Brief, den ich ihm schicken werde.“