Montags Lesung 2

Absolution. Du Jungfrau, die zu Gottes Mutter auserwählt wurde, zeige uns, was der rechte Weg zum Vaterlande ist! Amen.

Kapitel 5. Gott hatte die Absicht, die Welt mit den anderen geschaffenen Dingen zu erschaffen, die da sind, und sagte: „Werde!“
Und gleich wurde das, was er schaffen wollte, in vollkommener Weise getan. Als so die Welt und alle geschaffenen Wesen außer allein dem Menschen, vollendet war und ehrfurchtsvoll und schön vor Gottes Angesicht standen, stand noch eine kleinere, noch ungeschaffene Welt in all ihrer Schönheit vor Gott – diese sollte Gott noch mehr Ehre, den Engel noch mehr Freude und jedem Menschen, der ihre Güte genießen wollte, noch mehr Nutzen bringen, als die größere Welt.

O du liebliche Frau, Jungfrau Maria, hold zu allen, nützlich für alle – es ist nicht unpassend, dich mit dieser kleineren Welt zu bezeichnen. In der Schrift lesen wir, dass es Gott gefiel, das Licht in dieser größeren Welt vom Dunkel getrennt zu haben, aber das Trennende zwischen Licht und Finsternis, das nach deiner Erschaffung in dir erfolgen sollte, gefiel ihm noch viel mehr – d.h. als die Unwissenheit des Kleinkindes, die mit dem Dunkel vergleichbar ist, ganz und gar von dir wich und die Kenntnis von Gott zugleich mit dem Willen und der Einsicht nach seinem Willen zu leben, was mit dem Licht verglichen werden kann, in vollstem Maße zugleich mit der innigsten Liebe bei dir blieb. Das Kleinkindalter lässt sich passend mit Dunkel vergleichen, da man dann Gott noch nicht kennt und sein Verstand noch nicht unterscheiden kann, wie man handeln soll.

Dieses Kleinkindalter hast du, von aller Sünde reine Jungfrau, in der unschuldigsten Weise vorgelebt. Und so wie Gott die beiden Lichter geschaffen hat, die für diese Welt notwendig waren – das eine, über den Tag zu herrschen, und das andere, um über die Nacht zu herrschen, wie auch die Sterne – so hat er vorausgesehen, dass zwei andere, klare Lichter in dir entstehen sollten.

Das erste war dein göttlicher Gehorsam, der klar wie die Sonne vor den Engel im Himmel und den guten Menschen auf Erden leuchten sollte, für die Gott in Wahrheit der ewige Tag ist. Das andere Licht war dein standhafter Glaube, wodurch viele in der Zeit der Nacht (d.h. von der Stunde an, da der Schöpfer im Fleisch für seine Schöpfung leiden sollte, und bis zu seiner Auferstehung), da sie kläglich im Dunkel der Hoffnungslosigkeit und des Aberglaubens umherirrten, zur Kenntnis der Wahrheit geleitet werden sollten, als würden sie von einem Mondschein angeführt.

Deine Herzensgedanken waren wie Sterne – in dem Sinne, dass du von der Zeit an, da du zuerst Kenntnis von Gott hattest, bis zu deinem Tode so brennend in der Gottesliebe warst, dass sich alle deine Gedanken in den Augen Gottes und der Engel klarer zeigten, als die Sterne für den Blick des Menschen. Wie der hohe Flug, verschiedener Arten von Vögeln und ihr lieblich klingender Gesang waren alle Worte deiner Lippen, die mit aller Lieblichkeit von deinem irdischen Leib bis zu den Ohren dessen aufsteigen sollten, der auf dem Thron der Majestät sitzt, zum höchsten Jubel der Engel.

Im übrigen warst du wie alles Irdische darin gleich beschaffen, dass – wie alles andere in der größeren Welt, das einen irdischen Leib hat, sich von den Früchten der Erde nähren soll – so soll es auch nicht bloß Nahrung, sondern auch das Leben selbst von deiner Frucht erhalten. Deine Werke können gerechterweise mit blühenden und fruchttragenden Bäumen verglichen werden, denn du führst sie mit so großer Liebe aus, dass sie Gott und die Engel mehr als die Schönheit aller Blumen um die Süße der Früchte erfreuten.

Ohne Zweifel sah Gott in dir vor deiner Erschaffung mehr gute Eigenschaften voraus, als bei allen Kräutern, Blumen, Bäumen, Früchten, Edelsteinen und Metallen, die man auf der ganzen Welt antreffen kann. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Gott größeres Behagen an dir fand, du kleinere Welt, die noch geschaffen werden sollte, als an der größeren Welt. Denn obwohl die Welt vor dir erschaffen war, soll sie doch mit allem vergehen, was darin war, aber du sollst nach Gottes ewiger Vorausbestimmung in deiner unwandelbaren Schönheit verbleiben, ohne jemals von seiner holden Liebe getrennt zu werden.

Die größere Welt konnte nämlich in keiner Weise verdienen, in Ewigkeit zu existieren, aber du, selige Maria, am reichsten an allen Tugenden, hast mit der ganzen Vollkommenheit deiner Tugenden in der würdigsten Weise alles verdient, was Gott nach deiner Erschaffung in seiner großen Gnade mit dir zu tun geruhte.