Christus spricht worte der höchsten liebe zu seiner braut in einem wunderbaren gleichnis von einer herrlichen burg, mit der die kämpfende Kirche bezeichnet wird, und sagt, dass die Kirche Gottes auf die gebete der ehrenreichen Jungfrau und der heiligen wiedererbaut werden soll.
5. Kapitel

Ich bin der Schöpfer aller Dinge, ich bin der König der Ehren und Herr der Engel. Ich habe mir eine herrliche Burg gegründet und meine Auserwählten darein gesetzt. Meine Feinde haben ihr Fundament durchgraben und sind so übermächtig über meine Freunde geworden, dass sie ihre Beine so im Stock gepresst haben, wobei das Mark aus den Beinen meiner Freunde herausdrängt. Ihr Mund wird mit Steinen verschlossen, und sie werden von Hunger und Durst geplagt. Außerdem verfolgt man auch ihren Herrn. Meine Freunde bitten nun mit Seufzen um Hilfe; die Gerechtigkeit ruft nach Rache, aber die Barmherzigkeit sagt, dass man schonen soll.

Dann sagte derselbe Gott zu der himmlischen Heerschar, die um ihn herumstand: „Was meint ihr von diesen, die meine Burg erobert haben?“
Alle antworteten wie mit einer Stimme: „Herr, in dir ist alle Gerechtigkeit, und in dir sehen wir alles. Du bestehst ohne Anfang und Ende, du Gottessohn. Dir ist alle Richtermacht gegeben. Du bist ihr Richter.“

Er antwortete: „Obwohl ihr alles in mir wisst und seht, so sagt dennoch das gerechte Urteil um dieser Braut willen, die hier steht.“ Sie sagten: „Das ist Gerechtigkeit, dass die, die Mauer untergraben haben, wie Diebe bestraft werden sollen. Und die, die in ihrer Bosheit beharren, sollen wie Gewalttäter bestraft werden. Und die gefangen sind, sollen befreit werden, und die Hungernden sollen gesättigt werden.“

Da sagte die Gottesmutter Maria, die bisher geschwiegen hatte: „Mein Herr und liebster Sohn, du warst wahrer Gott und Mensch in meinem Mutterlieb. Du hast mich mit deiner Gnade geheiligt, die ein irdisches Gefäß war. Ich flehe dich an: Erbarme dich noch einmal über sie.“ Da antwortete der Herr seiner Mutter: „Gesegnet sei das Wort deines Mundes. Es stieg wie der lieblichste Wohlgeruch zur Gottheit auf. Du bist die Ehre und die Königin aller Heiligen, denn von dir wird die Gottheit erquickt, und freuen sich alle Heiligen. Und nachdem dein Wille von Anbeginn deiner Jugend wie der meine war, würde ich noch einmal tun, was du willst“.

Aber zu der Heerschar (der Gläubigen) sagte er: „Nachdem ihr mannhaft gekämpft habt, werde ich mich noch einmal um eurer Liebe willen besänftigen lassen. Seht, ich werde meine Mauer um eurer Gebete willen wieder aufbauen. Ich will die befreien und heilen, die Gewalt gelitten haben, und für die Schmach, die sie erlitten haben, will ich sie hundertfach ehren. Aber wenn die Gewalttäter mich um Barmherzigkeit bitten so, werde ich ihnen Frieden und Erbarmen schenken. Die aber, die sie verachten, werden meine Gerechtigkeit kennenlernen.“

Dann sagte er zur Braut: „Meine Braut, ich habe dich erwählt und dich in meinen Geist eingeführt. Du hörst meine Worte und die meiner Heiligen. Obwohl die Heiligen alles in mir sehen, haben sie gleichwohl deinetwegen gesprochen, damit du verstehen sollst. Denn du, die noch im Fleische ist, kannst die Dinge in mir nicht so sehen, wie sie es können, die Geister sind.

Jetzt will ich dir auch zeigen, was all dies bedeutet. Die Burg, von der ich sprach, ist die heilige Kirche, die ich mit meinem Blut und dem meiner Heiligen erbaut habe. Ich habe sie mit dem Mörtel meiner Liebe zusammengefügt und habe meine Auserwählten und meine Freunde in diese Burg gesetzt. Ihr Fundament ist der Glaube, nämlich der Glaube daran, dass ich ein gerechter und barmherziger Richter bin.

Jetzt ist jedoch das Fundament untergraben, denn sicher glauben alle und verkünden, dass ich barmherzig bin, aber fast niemand verkündet oder glaubt, dass ich ein gerechter Richter bin. Sie halten mich für einen verkehrten Richter. Denn verkehrt würde der Richter sein, der aus Barmherzigkeit die Ungerechten ungestraft lassen würde, so dass die Ungerechten die Gerechten noch mehr unterdrücken könnten. Aber ich bin ein gerechter und barmherziger Richter, denn ich lasse nicht einmal die geringste Sünde ungestraft oder die geringste gute Tat unbelohnt.

Dadurch, dass sie diese Mauer untergruben, gingen sie in die heilige Kirche hinein; die, welche ohne Furcht sündigen, verneinen, dass ich gerecht bin und meine Freunde ebenso schwer plage, wie die, die im Stock sitzen. Denn für diese meine Freunde gibt es keine Freude oder Trost, sondern ihnen wird alle Schmach und Plage zugefügt, wie vom Teufel Besessenen. Wenn sie die Wahrheit von mir sagen, werden sie widerlegt und der Lüge beschuldigt. Sie haben eine mächtige Sehnsucht, recht zu hören oder zu reden, aber es gibt keinen, der sie hört oder recht mit ihnen redet.

Ich, der Herr und Schöpfer, werde gelästert. Die Menschen sagen nämlich: „Wir wissen nicht, ob er Gott ist. Und wenn er es ist, kümmern wir uns nicht darum.“ Sie stürzen mein Banner um und trampeln es unter die Füße, indem sie sagen: „Warum hat er gelitten? Was nützt uns das? Wenn er unseren Willen zufrieden stellen will, reicht uns das aus. Mag er sein Reich und den Himmel haben.“ Ich will zu ihnen eingehen, aber sie sagen: „Eher wollen wir sterben, als unseren Willen übergeben.“ Sieh, meine Braut, wie sie sind! Ich habe sie gemacht, und mit einem Wort könnte ich sie vernichten. Wie überheben sie sich doch gegen mich! Nun bin ich um der Bitten meiner Mutter und aller Heiligen willen noch so barmherzig und geduldig, dass ich ihnen meine Worte senden will, die aus meinem Munde gingen, und ihnen meine Barmherzigkeit anbiete.

Wenn sie die annehmen wollen, will ich mich besänftigen lassen, wenn nicht, sollen sie meine Gerechtigkeit kennenlernen, und sie werden und sollen öffentlich von Engeln und Menschen wie Diebe entehrt werden und von allen verurteilt werden. Denn so wie die am Galgen aufgehängten Menschen von Raben verzehrt werden, so werden diese von dem Teufel verschlungen werden, aber doch nicht vernichtet werden. Und so wie die, die am Stock bestraft werden, dort keine Ruhe finden, so werden diese überall Schmerzen und Bitterkeit haben.

Die brennendste Flut wird in ihren Mund fließen, aber ihr Bauch wird doch nicht gefüllt werden, sondern sie werden zur Strafe Tag für Tag erneuert werden. Meine Freunde werden dagegen erlöst und von den Worten erquickt werden, die aus meinem Mund ergehen. Sie sollen meine Gerechtigkeit im Verein mit Barmherzigkeit sehen. Ich werde sie in den Waffenrock meiner Liebe Kleiden und sie so stark machen, dass die Widersacher des Glaubens wie Kot zurückfallen und sich auf ewig schämen werden, wenn sie meine Gerechtigkeit zu sehen bekommen; ja schämen werden sie sich, nachdem sie meine Geduld missbraucht haben.“