56. Kapitel

Ich sagte dir vorher, dass das Schwert meiner Kirche verworfen und ein Geldbeutel an seine Stelle getreten ist, der an einem Ende offen und am anderen Ende so tief ist, dass das, was man einlegt, nie den Grund erreicht, und der Beutel niemals voll wird. Dieser Beutel ist die Gier, die alle Maße übersteigt und so mächtig geworden ist, dass man den Herrn verachtet und nichts anderes begehrt, als das Geld und den eigenen Willen.

Ich bin wie ein Herr, der sowohl Vater als auch Richter ist. Wenn er vortreten und (seinen vom Volk angeklagten Sohn) richten soll, sagen die Umstehenden zu ihm: „Herr, tritt eilig vor und fälle das Urteil! Der Herr erwidert ihnen: „Wartet etwas; bis morgen, denn vielleicht bessert sich mein Sohn inzwischen.“
Wenn er am nächsten Tag zurückkommt, sagt das Volk wieder zu ihm: „Tritt vor, Herr, und fälle das Urteil! Warum schiebst du das Urteil so lange auf und verurteilst nicht die Schadenstifter?“
Da antwortet der Herr wieder: „Wartet noch etwas, um zu sehen, ob mein Sohn sich bessert. Aber wenn er dann nicht zur Besinnung kommt, werde ich tun, was gerecht ist.“

So ertrage ich den Menschen geduldig bis zum letzten Augenblick, denn ich bin sowohl Vater als auch Richter. Aber meine Gerechtigkeit ist unwandelbar, und wenn sie auch lange aufgeschoben wird, werde ich doch die Sünder entweder bestrafen, wenn sie sich nicht bessern, oder ihnen auch Barmherzigkeit erweisen, wenn sie sich bekehren.

Ich sagte dir vorher auch, dass ich das Volk in drei Teile geteilt habe, nämlich in Richter, Verteidiger und Arbeiter. Wer wird mit diesen Richtern bezeichnet, wenn nicht die Priester, die die göttliche Weisheit in eine böse und eitle verwandelt haben? So wie es Priester gewöhnlich tun, die viele Worte reden und sie in einige wenige umwandeln, die dasselbe sagen wie die vielen, so haben die Priester in dieser Zeit die Worte meiner zehn Gebote genommen und sie in ein einziges zusammengezogen.

Was ist dieses eine Wort? Ja, das ist: Streck deine Hand aus und gib Geld! Das ist die Weisheit der Priester, schön zu reden und schlecht zu handeln, den Anschein zu erwecken, meine Diener zu sein, aber boshaft gegen mich handeln. Um der Spenden willen lassen sie die Sünder gern in ihren Sünden, und die Einfältigen bringen sie durch ihr schlechtes Beispiel zu Fall. Außerdem hassen sie die, die auf meinem Wege wandeln.

Mit den Verteidigern der Kirche sind die treulosen Ritter gemeint; diese geben ihren Glauben und ihre Gelübde auf und ertragen gern die, die gegen den Glauben und die Satzungen meiner Kirche sündigen. Die Arbeiter, d.h. das ganze Volk, sind wie ungezähmte Stiere, die drei Kennzeichen haben: Erstens wühlen sie die Erde mit ihren Klauen auf, zweitens füllen und sättigen sie ihren Bauch, drittens vollbringen sie ihre Lust nach ihrem Begehren. So trachtet nun das Volk mit all seinem Begehren nach zeitlichen Dingen. Sie stopfen sich voll mit maßloser Schwelgerei und weltlichen Nichtigkeiten und vollenden sinnlos ihre sinnlichen Begierden.

Aber wenn auch meine Feinde zahlreich sind, habe ich unter ihnen doch viele Freunde, wenn auch heimliche. Wie ich einst zu Elias sagte, der glaubte, er sei der einzige Überlebende unter meinen Freunden: „Ich habe siebentausend Mann, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben, so habe ich auch jetzt, wenn es auch viele Feinde gibt, doch viele heimliche Freunde unter ihnen, die täglich darüber betrübt sind, dass meine Feinde übermächtig sind, und dass mein Name verachtet wird.

Deshalb handle ich um ihrer Gebete willen wie ein liebevoller und guter König, der wohl die bösen Taten der Stadt kennt, aber die Einwohner geduldig erträgt und Briefe an seine Freunde sendet, um sie vor Gefahr zu warnen: Ich sende meine Worte an meine Freunde, und sie sind nicht so dunkel wie die der Apokalypse, die ich dem Johannes auf eine dunkle Weise offenbart habe, dass sie zu der Zeit, die mir gefällt, von meinem Geist gedeutet werden sollen.

Sie sind nicht so geheim, dass sie nicht verkündet werden können, und es ist mit ihnen nicht so, wie mit den geheimnisvollen Dingen, die Paulus sah, aber über die zu sprechen er nicht das Recht hatte, sondern diese Worte sind so offenkundig, dass alle, Groß und Klein, sie verstehen können, und so leicht begreiflich, dass alle, die es wollen, sie erfassen können. Daher werden meine Freunde meine Worte zu meinen Feinden gelangen lassen, so dass sie sich vielleicht bekehren, wenn ihnen ihre Gefahr und das Gericht bekannt werden, und sie ihre Taten bereuen.

Sonst werde ich die Stadt verurteilen, und wie eine Mauer abgerissen wird, so dass kein Stein auf dem anderen bleibt und im Fundament nicht einmal zwei Steine aneinander haften, so wird es mit der Stadt, d.h. der Welt, gehen. Die Richter werden im kräftigsten Feuer brennen. Nun brennt kein Feuer kräftiger als das, was mit etwas Fett genährt wird. Diese Richter waren fett, denn sie hatten mehr Gelegenheit, ihren Willen durchzusetzen, als andere; sie übertrafen andere an Ehre und zeitlichem Überfluß, und sie übertrafen andere an Bosheit und an Ungerechtigkeit. Daher werden sie im heißesten Kessel brennen.

Die Verteidiger wiederum werden am höchsten Galgen aufgehängt werden. Der Galgen besteht ja aus zwei aufrechten Holzbalken und aus einem dritten Balken, der quer über die beiden anderen gestellt ist. Dieser Galgen mit zwei Balken bezeichnet ihre grausige und schwere Strafe, die sich wie aus zwei Balken zusammensetzt.

Die erste ist, dass sie nicht auf meinem ewigen Lohn gehofft, und nicht mit ihren Taten dafür gearbeitet haben. Der andere Balken bedeutet, dass sie an meiner Macht und Güte verzweifelten, indem sie glaubten, dass ich ihnen keine Erfüllung geben könnte oder wollte. Der Querbalken ist ihre böse Gesinnung, die ihren Ausdruck darin fand, dass sie schlecht handelten, obwohl sie sehr gut wussten, was sie hätten tun sollen, und sich nicht scheuten, gegen ihr Gewissen zu handeln. Aber der Strick des Galgens ist das ewige Feuer, das nicht mit Wasser gelöscht werden kann, nicht mit einer Schere zerschnitten werden kann oder vor Alter verlöschen kann.

An diesem Galgen, an dem die grausigste Pein und ein unauslöschliches Feuer herrscht, werden sie hängen und Scham und Reue wie unglückliche Verräter empfinden, weil sie treulos waren. Sie werden Schmähworte hören, nachdem meine Worte ihnen nicht behagten. Wehrufe werden in ihrem Munde sein, nachdem ihnen ihre eigene Ehre und Berühmtheit so teuer war.
An diesem Galgen werden sie von lebenden Raben, die nie gesättigt werden – d.h. den Teufeln – verletzt werden, und obwohl sie verwundet werden, werden sie niemals ganz verzehrt werden, sondern sie werden ewig leben und gepeinigt werden, und ihre Plagegeister werden auch ewig leben. Da wird ein Weh herrschen, das niemals enden wird, und ein Elend, das nie gelindert wird. Wehe ihnen, dass sie je geboren sind! Wehe ihnen, dass ihr Leben so lang geworden ist!

Was schließlich die Arbeiter betrifft, wird ihre gerechte Strafe die der Stiere sein. Die Stiere haben sehr hartes Fleisch und harte Haut, daher besteht ihre Strafe in dem spitzesten Eisen. Dieses spitze Eisen ist der Tod der Hölle, das die peinigen wird, die mich verachtet und ihren eigenen Willen statt meiner Gebote geliebt haben.

Aber mein Brief, d.h. meine Worte, ist aufgeschrieben, und mögen meine Freunde daran arbeiten, dass er klug und geschickt zu meinen Feinden gelangt; sie wollen es vielleicht hören und sich bessern. Aber wenn manche sagen, nachdem sie meine Worte hörten: „Laßt uns noch ein wenig warten; die Zeit kommt nicht – es ist noch nicht seine Zeit“, so schwöre ich bei meiner Gottheit, die Adam aus dem Paradiese trieb und dem Pharao zehn Plagen schickte, dass ich schneller zu ihnen komme, als sie glauben.

Ich schwöre bei meiner Gottheit, die ich zur Erlösung der Menschen ohne Sünde von der Jungfrau annahm, und in der ich im Herzen Trübsal ausstand und körperliche Qual und den Tod erlitt, damit die Menschen leben können, in der ich von den Toten auferstand und zum Himmel aufstieg und zur Rechten des Vaters sitze, wahrer Gott und Mensch in einer Person – dass ich meine Worte in Erfüllung gehen lasse.
Ich schwöre bei meinem Geist, der am Pfingsttag über die Apostel ausgegossen wurde und sie entzündet hat, so dass sie die Sprachen aller Völker sprechen konnten, dass ich sie in meinem Zorn strafen werde, wenn sie sich nicht bessern und als schwache Diener zu mir zurückkehren.

Wehe ihnen dann an Leib und Seele! Wehe ihnen, dass sie auf die Welt gekommen sind und auf Erden gelebt haben! Wehe ihnen, denn ihre Wollust war kurz und eitel, aber ihre Pein wird ewig dauern! Dann sollen sie vernehmen, was sie jetzt nicht glauben wollen, nämlich dass meine Worte Worte der Liebe waren. Dann werden sie verstehen, dass ich sie wie ein Vater ermahnt habe, obwohl sie mich nicht hören wollen. Ja, wenn sie meine Worten nicht gutwillig glauben wollten, müssen sie den Taten glauben, wenn sie kommen.“