20. Kapitel

Die Mutter spricht: ”Tochter, es steht geschrieben, dass der, der fünf Pfund empfangen hat, fünf andere Pfunde dazu erworben hat. Was ist das Pfund anderes, als die Gabe des Heiligen Geistes? Manche empfangen ja Weisheit, andere Reichtum, andere Freundschaft bei den Reichen, aber alle sollten ihrem Herrn den doppelten Gewinn davon zurückgeben, nämlich von der Weisheit die Fähigkeit, sich selbst und anderen zum Nutzen zu leben und die Unterweisung weiterzugeben, und von Reichtümern und anderem zeitlichen Gut die Bereitschaft, sie verständig zu gebrauchen und anderen barmherzig beizustehen.

So vervielfachte dieser gute Abt Benedikt die Gnadengabe, die er empfangen hatte, indem er alles verschmähte, was vergänglich war, zwang sein Fleisch, dem Geist zu gehorchen, und nichts über die göttliche Liebe stellte. Außerdem floh er hinaus in die Einöde, weil er fürchtete, dass seine Ohren durch das Hören von etwas Unnützem und die Augen durch das Anschauen nutzbringender Dinge befleckt werden könnten, und so ahmte er den nach, der schon vor seiner Geburt im Mutterleib jubelte, als er die Ankunft seines allerhuldreichsten Erlösers vernahm.
Gewiss hatte Benedikt die Seligkeit des Himmels auch draußen in der Einöde empfangen, denn die Welt war für ihn tot, und sein Herz war ganz erfüllt von Gott, aber es gefiel Gott doch, Benedikt zu dem Berge zu berufen, damit er umso mehr Menschen bekannt würde, und damit durch sein Beispiel mehrere zu einem vollkommenen Leben angehalten werden sollten.

Der Leib dieses heiligen Mannes war wie ein Sack aus Erde, in dem das Feuer des Heiligen Geistes enthalten war, das alle Feuer des Teufels von seinem Herzen ausschloss. Denn wie das irdische Feuer von zwei Dingen entzündet wird, nämlich von der Luft und vom Blasen des Menschen, so geht der Heilige Geist entweder durch persönliche Eingebung oder durch irgendeine menschliche Handlung oder durch irgendeinen göttlichen Ausspruch, der den Sinn zu Gott weckt, in die Seele des Menschen ein.
Ebenso besucht auch der Geist des Teufels die Seinen, aber die sind weit getrennt. Denn der Heilige Geist entzündet wohl die Seele, Gott zu suchen, verbrennt den Menschen aber nicht körperlich; er spendet Licht durch reine Ehrbarkeit, aber verdunkelt nicht den Sinn durch das Böse. Der böse Geist dagegen flößt dem Sinn ein verzehrendes Verlangen nach dem Fleischlichen und eine unerträgliche Bitterkeit ein. Er verdunkelt auch die Seele, so dass sie nicht selbst sehen kann, und drückt sie trostlos auf das Irdische herunter.

Deshalb rief Gott Benedikt zum Berge, damit das gute Feuer, was in ihm war, mehrere entflammen sollte, und dann rief Benedikt mehrere andere Funken zu sich und machte durch Gottes Geist aus ihnen ein gewaltiges Feuer. Und er stellte für sie eine Klosterregel aus Gottes Geist zusammen, durch die viele ebenso vollkommen wurden, wie er selbst. Nun sind zwar viele Brände von St. Benedikts Feuer ausgebreitet; sie liegen überall verstreut und haben Kälte statt Wärme und Dunkel statt Licht. Aber wenn sie im Feuer zusammengefasst wären, würden sie überall Feuer und Wärme von sich geben.“