74. Kapitel

Gottes Sohn sprach zur Braut und sagte: „Du hast heute ein Sprichwort in deinem Sprachunterricht zusammengesetzt, dass es besser ist, anderen zuvorzukommen, als dass andere einem zuvorkommen. So bin ich dir mit meiner lieblichen Gnade zuvorgekommen, damit nicht der Teufel die Herrschaft über deine Seele erlangt.“
Und gleich zeigte sich Johannes der Täufer und sagte: „Gesegnet seist du, Gott, der du vor allen Dingen da bist, du, neben dem kein anderer jemals Gott ist oder war oder sein wird, nachdem du in Ewigkeit der einzige Gott bist und warst! Du bist die von den Propheten verheißene Wahrheit, über die ich gejubelt habe, noch ehe ich geboren wurde, und die ich dann vollständiger kennenlernte und gezeigt habe. Du bist unsere Freude und Ehre, unser Verlangen und unsere Sättigung, denn dich zu schauen, erfüllt uns mit unaussprechlichem Entzücken, von dem keiner eine Vorstellung hat außer dem, der sie kostet. Du bist auch unsere einzige Liebe.

Es ist nicht verwunderlich, dass wir dich lieben. Denn es ist nicht genug damit, dass du – nachdem du selbst die Liebe bist – die liebst, die dich lieben, nein, nachdem du aller Menschen Schöpfer bist, beweist du deine Liebe auch denen, die nichts von dir wissen wollen. Aber nun bitten wir dich also, Herr, nachdem wir durch dich und in dir reich sind, dass du unsere geistlichen Reichtümer denen gibst, die keinen Reichtum haben, so dass – wie wir uns ohne unser Verdienst an dir freuen – auch andere an unserem Gut teilhaben.“
Christus erwiderte: „Du bist wahrhaftig das höchste Glied neben dem Kopf und daneben. Doch ist der Hals noch näher und vornehmer. So bin ich das Haupt von allen; meine Mutter ist der Hals, und danach kommen die Engel. Du und meine Apostel sind jedoch mit dem Rückgrat zu vergleichen, denn ihr liebt mich nicht nur, sondern ihr ehrt mich und nützt mir ebenso wie die, die mich lieben.

Daher steht es fest, was ich sagte: „Die Werke, die ich tue, die sollt ihr auch tun, und euer Wille ist mein Wille.“ Denn wie ein leibliches Haupt sich nicht ohne die Glieder rühren kann, so gibt es in eurem geistlichen Zusammenschluss und eurer Vereinigung nichts, was ihr zwar wollt, aber nicht könnt, sondern alles, was einer von euch will, das kann er auch, und deshalb soll es geschehen, was du begehrst.“
Nun führte Johannes einen fast halbtoten Ritter in ihre Mitte und sagte: „Siehe Herr, er, der hier steht, hat dir seine Ritterschaft gelobt und versucht, zu kämpfen, aber bringt es nicht fertig, weil er schwach und wenig bewaffnet ist. Ich bin aus zweifachem Grund verpflichtet, ihm zu helfen, sowohl für die Verdienste seiner Ahnen, wie auch für die Liebe und den Eifer, den er für meine Ehre hat. Gib ihm dafür um deiner selbst willen Rittergewänder, so dass nicht die Schande seiner Nacktheit sichtbar wird!“

Der Herr antwortete: „Gib ihm, was du willst, und kleide ihn, wie es dir gefällt!“ Da sagte Johannes: „Komm, mein Sohn, und nimm von mir das erste Kleidungsstück in deinem Rittergewand entgegen! Wenn du es genommen hast, kannst du die übrigen Ritterstücke leichter nehmen und tragen. Für einen Ritter ist es angebracht, nah am Körper etwas zu haben, was weich und sanft ist, nämlich ein Unterhemd. Damit will ich dich bekleiden, denn so gefällt es Gott. So wie das materielle Unterhemd weich und sanft ist, so bedeutet das geistliche Hemd, Gott in der Seele lieb zu haben, und lieb für das Gefühl. Liebevolles Verlangen nach Gott kommt von zwei Dingen, nämlich der Betrachtung von Gottes Wohltaten, und die Erinnerung an begangene Sünden. Diese beiden Dinge habe ich als Kleiner Kerl eingehalten. Ich dachte nämlich darüber nach, mit welch großer Gnade mir Gott schon zuvorgekommen ist, noch ehe ich geboren wurde, und welch großen Segen er mir nach meiner Geburt beschert hat.

Und als ich dies bedachte, seufzte ich und fragte mich, wie ich das in würdiger Weise meinem Gott wiedergutmachen könnte. Ich betrachtete auch die Vergänglichkeit der Welt und flüchtete so in die Einöde, wo mein Herr Jesus mir so lieb wurde, dass ich einen Widerwillen dagegen empfand, an alles Begehrenswerte auf der Welt zu denken, und fand es mühsam, danach zu trachten. Komm also, Ritter, und zieh dir das Hemd an; das Übrige wirst du zu gegebener Zeit bekommen!“

Danach zeigte sich der hl. Apostel Petrus und sagte: „Johannes gab dir das Unterhemd, aber ich, der schwer gefallen ist, aber mannhaft wieder aufgestanden ist, werde dir die Brünne anfertigen, d.h. die Liebe zu Gott. Denn so wie die Brünne aus vielen Eisenringen besteht, so verteidigt die Gottesliebe den Mann gegen Wurfspieße und setzt ihn instand, mit Gleichmut das Böse zu ertragen, das eintrifft, sie macht ihn eifriger und wirksamer, wenn es um Gottes Ehre geht, eifriger in göttlicher Arbeit, unüberwindlich bei Unglücksfällen, fest in Hoffnung, ausdauernd in dem, was er unternommen hat.

Diese Brünne wird glänzen wie Gold und stark wie Stahl und Eisen sein, denn jeder Mensch, der Liebe hat, soll in seiner Geduld bei Unglücksfällen geschmeidig sein wie Gold und glänzend in seiner Weisheit und Klugheit, so dass er Ketzerei nicht für den richtigen Glauben oder das Zweifelhafte für sicher hält.
Die Brünne wird stark sein wie Eisen, denn wie das Eisen alles unterwirft, so sollte auch der Mensch, der die Liebe anwendet, versuchen, die zu demütigen, die sich dem Glauben und den guten Sitten widersetzen, und er darf nicht vor lästerlichen Reden zurückweichen, soll sich um der Freundschaft willen nicht beugen lassen, nicht in seinem Eifer zum Nutzen zeitlicher Dinge ermüden, nicht eine Tat aus Bequemlichkeit unterlassen und den Tod nicht fürchten, denn keiner kann ihm ohne Gottes Zulassung das Leben rauben.

Aber obwohl die Brünne aus vielen Ringen besteht, so sind es doch vor allem zwei Ringe, durch die die Brünne der Liebe zusammengehalten wird. Der eine Ring der Liebe ist nämlich die Kenntnis von Gott und das fleißige Betrachten von Gottes Wohltaten und Geboten. Dadurch lernt der Mensch einzusehen, was er für Gott, für den Nächsten und die Welt tun soll.

Der andere Ring besteht darin, den eigenen Willen Gott zuliebe zu zügeln, denn jeder, der Gott vollkommen und von ganzem Herzen liebt, behält sich in seinem Willen nichts vor, was gegen Gott ist. Siehe, mein Sohn, diese Brünne gibt dir Gott, und ich habe sie für dich hergestellt, was aus Liebe zu Gott geschehen ist.“
Dann trat der hl. Paulus auf und sagte: „Mein Sohn! Petrus, der höchste Hirte der Schafe, hat dir die Brünne gegeben, aber ich werde dir aus Liebe zu Gott den Brustharnisch geben, was die Liebe zum Nächsten bedeutet, und dass man im Zusammenwirken mit Gottes Gnade bereit ist, zur Erlösung des Nächsten das Leben zu opfern.

So wie viele kleine Eisenplatten im Brustharnisch vereinigt und mit Nägeln zusammengehalten werden, so münden viele Tugenden in die Liebe zum Nächsten aus. Denn jeder, der den Nächsten liebt, sollte zu allererst darüber traurig sein, dass nicht alle, die mit Jesu Christi Blut erlöst sind, Gott seine Liebe erwidern.
Zweitens sollte er beklagen, dass sich die heilige Kirche nicht in einem lobenswerten Zustand befindet. Drittens, dass es nur wenige gibt, die sich mit Liebe und bitterem Schmerz an Gottes Leiden erinnern. Viertens sollte er darauf achten, dass nicht sein Nächster durch irgendein schlechtes Beispiel von ihm selbst verführt wird. Fünftens sollte er seine Habe froh und bereitwillig seinem Nächsten geben und für ihn bitten, dass er sich in allem Guten vervollkommnen wird.

Die Nägel, mit denen die Eisenplatten zusammengehalten werden, sind göttliche Worte. Denn wenn ein liebevoller Mann seinen Nächsten betrübt sieht, soll er ihn mit liebvollen Worten trösten; er soll den verteidigen, der zu Unrecht angegriffen wird, soll die Kranken besuchen, die Gefangenen freikaufen, keine Hemmungen vor den Armen haben, immer die Wahrheit lieben, nichts vor die Liebe Gottes setzen, nie vom Weg der Gerechtigkeit abweichen. Mit einem Brustharnisch war ich bekleidet, denn ich war krank mit den Kranken, ich scheute mich nicht, vor Königen und Fürsten die Wahrheit zu sagen, und ich war bereit, für die Rettung des Nächsten zu sterben.“

Nun zeigte sich Gottes Mutter und sagte zu dem Ritter: „Was fehlt dir noch, mein Sohn?“ Er antwortete: „Mein Haupt hat keinen Helm.“ Da sagte die Mutter der Barmherzigkeit zum Schutzengel seiner Seele: „Was hat dein Schutz dieser Seele genützt, und was hast du unserem Herrn zu bieten?“ Der Engel erwiderte: „Ich habe etwas, obwohl es klein ist. Er hatte nämlich manchmal Almosen gegeben und hat einige Gebete aus Liebe zu Gott gelesen, und manchmal hat er auf seinen eigenen Willen für Gott verzichtet, wobei er aufrichtig zu Gott betete, dass die Welt ihren Reiz für ihn verlieren möge, und dass Gott ihm lieber als alles andere würde.“

Die Mutter antwortete: „Es ist gut, etwas vorweisen zu können. Wir wollen nun etwas tun, was ein guter Goldschmied macht, wenn er eine große Arbeit aus Gold anfertigt, aber Mangel an Material hat. Er bittet gut situierte Freunde um Hilfe, und alle, die Gold zur Verfügung haben, helfen ihm dann, so dass seine Arbeit vollendet werden kann. Aber wer wird einem sein Gold abgeben, der eine Arbeit aus Lehm macht? Lehm ist ja nicht wert, mit Gold vermischt zu werden. Daher sollen alle Heiligen, die reich an Gold sind, mit mir den Helm für dich herstellen, den du tragen wirst.

Dieser Helm ist der Wille, Gott allein zu gefallen. Denn wie der Helm das Haupt gegen Schüsse und Schläge schütz, so verteidigt der gute und auf Gott allein gerichtete Wille die Seele, dass die Versuchungen des Teufels keine Macht über sie gewinnen, und er bringt Gott in die Seele hinein. Einen solchen Willen hatte der Gute Georg und Mauritius und mehrere andere, ja auch der Räuber am Kreuz.
In diesem Helm muss es auch zwei Bohrlöcher für die Augen geben, so dass das, was eintrifft, vorausgesehen werden kann. Die Öffnungen bezeichnen Klugheit bei dem, was getan werden soll, und Vorsicht bei dem, was unterlassen werden soll, denn ohne Klugheit und Überlegung ist vieles, was anfangs gut aussah, zum Schluss schlecht geworden.“

Weiter fragte die Mutter den Ritter: „Was fehlt dir noch weiter, mein Sohn?“ Er antwortete: „Meine Hände sind noch bloß und haben keine Bewaffnung.“ Die Mutter sagte: „Ich will dir helfen, dass deine Hände nicht nackt zu sein brauchen. So wie der Körper zwei Hände hat, so gibt es auch zwei geistliche Hände. Die rechte Hand, mit der das Schwert gehalten werden soll, bezeichnet das Ausüben der Gerechtigkeit. Das soll sich durch fünf Tugenden auszeichnen, die mit fünf Fingern verglichen werden können.

Die erste besteht darin, dass in jeder Gerechtigkeit die Gerechtigkeit in erster Linie in sich selbst besteht, indem man darauf achtet, dass in seinem Reden, Tun oder Beispiel nichts auftritt, was den Nächsten verletzen könnte, und dass er mit seinen eigenen unordentlichen Sitten das bei anderen zerstört, was er auf den Wegen der Gerechtigkeit lehrt oder tadelt.

Die zweite besteht darin, dass er nicht auf Grund von Menschengunst oder weltlicher Gewinnsucht Gerechtigkeit oder Werke der Gerechtigkeit übt, sondern allein aus Liebe zu Gott. Die dritte besteht darin, niemanden zu fürchten, der gegen die Gerechtigkeit handelt, nicht unterlässt, Gerechtigkeit aus Freundschaft zu üben, oder sich verleiten lässt, für einen Armen oder Reichen, Freund oder Feind, von der Gerechtigkeit abzuweichen.

Die vierte besteht darin, bereit zu sein, sogar das Leben für die Gerechtigkeit zu opfern. Die fünfte besteht darin, nicht nur Gerechtigkeit zu üben, sondern Gerechtigkeit auch weise zu lieben, so dass das Urteil sowohl barmherzig als auch streng ist, und so dass der, der weniger sündigt, anders gezüchtigt wird als der, der schwerer sündigt, und der, der aus Unkenntnis sündigt, anders als der bestraft wird, der in bewusster Bosheit sündigt.
Wer diese fünf Finger hat, sollte darauf achten, dass er das Schwert nicht aus Ungeduld schärft und dass nicht weltliche Lust es stumpf macht, dass Gedankenlosigkeit es nicht aus der Hand fallen lässt, oder die Unbeständigkeit der Seele es schwarz macht.

Die linke Hand ist das göttliche Gebet. Auch das muss fünf Finger haben. Der erste ist, fest an die Glaubensartikel von der Göttlichkeit und Menschengestalt (Christi) zu glauben und das mit der Tat zu beweisen, sowie zu glauben, was die heilige Kirche, Gottes Braut, bekennt. Der zweite ist, nicht bewusst gegen Gott sündigen zu wollen und all das mit Reue wieder gut machen zu wollen, was man verbrochen hat.

Der dritte ist, Gott zu bitten, dass die körperliche Liebe in geistliche Liebe verwandelt wird. Der vierte ist, zu keinem anderen Zweck auf der Welt zu leben, als Gott Ehre zu erweisen und die Sünden zu verringern. Der fünfte ist, sich nicht vermessen etwas zuzutrauen, sondern Gott stets zu fürchten, und zu jeder Stunde den Tod zu erwarten.
Siehe, mein Sohn, dies sind die beiden bewaffneten Hände, die du haben sollst. Mit der rechten sollst du das Schwert der Gerechtigkeit gegen die schwingen, die die Gerechtigkeit übertreten, und die linke bezeichnet dein Gebet zu Gott um Hilfe, so dass du niemals nur auf deine Gerechtigkeit vertraust, oder dich gegen deinen Gott erhebst.“

Wieder zeigte sich die heilige Maria und sagte zu dem Ritter: „Mein Sohn, fehlt dir immer noch etwas?“ Er erwiderte: „Ja, Fußbekleidung.“ Da sagte sie: „Hör du, der du vorher ein Ritter der Welt warst, aber jetzt meiner bist – alles, was im Himmel und auf Erden ist, hat Gott geschaffen, aber unter all dem ist die Seele das edelste und schönste Geschöpf, - sie, die wie der gute Wille in ihren Eingebungen ist. Denn so, wie viele Zweige von einem Baum ausgehen, so geht jede Vervollkommnung der Tugenden durch Übung und Wirksamkeit aus der geistlichen Seele hervor, und so sollte der gute Wille durch Gottes Gnade der Anfang sein, wenn man eine geistliche Fußbewaffnung erhält.

Sie sollte sich durch eine doppelte Betrachtung auszeichnen, was mit zwei Füßen auf goldenen Sohlen verglichen werde kann. Der erste Fuß der vollkommenen Seelen ist eine solche Betrachtung, nämlich dass man nicht gegen Gott sündigen will, auch wenn er das nicht bestrafft. Der zweite Fuß ist, auf Grund von großer Geduld und Liebe zu Gott gute Werke zu tun, auch wenn man wüsste, dass man verdammt würde. Das Knie der Seele ist die Fröhlichkeit und Kraft des guten Willens. Denn wie die Knie zum Nutzen der Füße gebeugt und gebogen werden, so muss der Wille der Seele gebeugt und nach dem Verstand nach Gottes Willen zurückstehen.
Es steht geschrieben, dass Geist und Fleisch miteinander streiten. Daher sagt auch Paulus: „Ich tue nicht das Gute, das ich will.“ Das ist, als wollte er sagen: „Manches Gute will ich ja, denn das gebietet meine Seele, aber ich vermag es auf Grund der Schwachheit des Fleisches nicht auszuführen. Und wenn ich es tun kann, so geschieht das nicht mit freudiger Bereitschaft.“

Aber vielleicht kam der Apostel doch um seinen Lohn, weil er wollte und nicht konnte, oder weil er zwar das Gute tat, aber ohne Freude? Keineswegs – stattdessen vergrößerte sich seine Krone um das Doppelte. Erstens, weil er mit seinem äußeren Menschen ein mühevolles Werk zu erledigen hatte, weil das Fleisch gegen das Gute so widerspenstig war. Zweitens, weil er für seinen inneren Menschen nicht immer geistlichen Trost genoss.
Viele Weltmenschen arbeiten im Zeitlichen, aber dafür werden sie nicht belohnt, da sie nach dem Wunsch des Fleisches tätig sind. Wenn ihre Arbeit von Gott befohlen wäre, würden sie keineswegs so eifrig dabei sein.

Diese beiden Füße der Seele, nämlich nicht gegen Gott zu sündigen und gute Werke tun zu wollen, auch wenn eine Verurteilung folgen sollte, müssen mit einer doppelten Bewaffnung versehen werden, nämlich einem verständigen Gebrauch der zeitlichen Dinge, und einer vernünftigen Sehnsucht nach dem Himmlischen. Ein verständiger Gebrauch des Zeitlichen ist es, Güter zu einem maßvollen Lebensunterhalt zu besitzen, aber nicht zu einem Leben im Überfluss. Eine verständige Sehnsucht nach dem Himmlischen ist es, den Himmel mit guten Werken und Arbeit verdienen zu wollen.

Durch Undank und Leichtsinn hat der Mensch sich von Gott abgewandt, deshalb muss er durch Arbeit und Demut zu Gott zurückkehren. Nachdem du dies nicht gehabt hast, mein Sohn, so sollten wir die heiligen Märtyrer und Bekenner bitten, die übergenug von diesen Reichtümern besaßen, dir zu helfen.“
Gleich zeigte sich der Heiligen und sagte: „Gesegnete Frau, du hast den Herrn in deinem Schoß getragen, und du bist die Herrscherin von allen – was gibt es, das du nicht kannst? Was du willst, ist ja schon getan; dein Wille ist allzeit auch der unsere. Du bist mit Recht die Mutter der Liebe, denn du besuchst alle in Liebe.“

Wieder zeigte sich die Mutter und sagte zu dem Ritter: „Mein Sohn, noch fehlt uns der Schild. Zu einem Schild gehören zwei Dinge, nämlich Stärke und das Zeichen des Herrn, für den man kämpft. Der geistliche Schild bezeichnet das Betrachten von Gottes bitteren Leiden; es muss am linken Arm am Herzen hängen, so dass die Seele, so oft des Fleisches Lust sie erfreut und weltliche Verachtung und Unglück sie sticht und betrübt, sich an Christi Wunden erinnern sollte, und so oft sie Ehre und langes Leben auf Erden lockt, sollte sie Christi bitteres Leiden und seinen Tod bedenken.

Ein solcher Schild muss als Stärke Ausdauer im Guten und als Breite die Liebe haben. Das Abzeichen des Schildes muss aus zwei Farben bestehen, denn nichts sieht man klarer und länger als das, was aus zwei leuchtenden Farben besteht. Die beiden Farben, mit denen der Schild der Passionsbetrachtung geschmückt sein muss, sind Enthaltsamkeit von unordentlichen Begierden, Reinheit und das Unterdrücken der Triebe des Fleisches. Von diesen beiden Farben wird der Himmel erleuchtet, und wenn die Engel sie sehen, freuen sie sich und sagen: „Sieh die Zeichen der Reinheit und unserer Gesellschaft! Wir müssen dem Ritter beistehen!“

Aber wenn die Teufel den Ritter mit diesen Zeichen auf dem Schild geschmückt sehen, rufen sie aus: „Was sollen wir tun, Kameraden? Dieser Ritter ist gefährlich im Kampf und hat schöne Waffen. An seinen Seiten hängen die Waffen der Tugenden. Im Rücken hat er die Heerschar der Engel. Auf der linken Seite hat er den wachsamsten Beschützer, nämlich Gott. Er ist ringsum voller Augen, und damit betrachtet er unsere Bosheit. Ihn bekämpfen können wir sicher, aber nur zu unsere eigenen Schande, denn wir können in keiner Weise Macht über ihn gewinnen.“

O wie glücklich ist doch ein solcher Ritter, den die Engel ehren, und vor dem die Teufel zittern! Aber weil du diesen Schild noch nicht bekommen hast, mein Sohn, so lass uns die heiligen Engel bitten, die in geistlicher Reinheit glänzen, dass sie dir helfen!“
Die Mutter sagte weiter: „Mein Sohn, noch fehlt uns das Schwert. Zu einem Schwert gehören zwei Dinge: Erstens, dass es zwei Schneiden hat, zweitens, dass es gut geschliffen ist. Das geistliche Schwert ist das Vertrauen auf Gott, für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Dieses Vertrauen soll zwei Schneiden haben, nämlich die Richtigkeit der Gerechtigkeit bei Glücksfällen wie auf der rechten Seite, und Danksagung unter Widrigkeiten, wie auf der linken Seite.

Ein solches Schwert hatte der Gute Hiob, der im Unglück Gott für seine Kinder Opfer brachte, er, der der Vater der Armen war, und dessen Tür für den Reisenden Offenstand. Er wanderte nicht ins Blaue hinein und begehrte kein fremdes Eigentum, sondern fürchtete Gott wie der, der auf den Wogen Meeres fährt. Er brachte auch im Unglück Danksagung dar, und als er seine Kinder und seine Güter verlor, als er von seiner Frau getadelt und mit den schlimmsten Geschwüren geschlagen wurde, ertrug er es geduldig und sagte: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“

Das Schwert soll auch gut gewetzt sein, so dass es die Bekämpfer der Gerechtigkeit schlägt, wie Mose und David es taten, dass es für das Gesetz eifert wie Pinhas, standhaft Gottes Wort spricht, wie Elias und Johannes. (O, wie viele haben jetzt ihr Schwert stumpf werden lassen! Auch wenn sie verschwenderisch mit Worten umgehen, rühren sie keinen Finger.

Sie suchen die Freundschaft der Menschen und kümmern sich nicht um Gottes Ehre). Weil du ein solches Schwert noch nicht bekommen hast, sollten wir die Erzväter und Propheten bitten, die eine solche Zuversicht hatten, und es wird uns vertrauensvoll gegeben werden.“
Nochmals zeigte sich die Mutter und sagte: „Mein Sohn, du brauchst noch eine Decke über die Waffen, so dass sie gegen Rost geschützt werden und nicht durch Feuchtigkeit beschädigt werden. Diese Decke ist der liebvolle Wille, für Gott zu sterben, sogar wenn es möglich wäre, sich um der Rettung der Brüder willen von Gott zu trennen, ohne ihn zu kränken.

Diese Liebe bedeckt alle Sünden, bewahrt die Tugenden, mildert Gottes Zorn, macht alles möglich und erschreckt die Teufel. Sie ist die Freude der Engel. Diese Decke muss auf der Innenseite weiß und auf der Außenseite glänzend sein wie Gold. Wo sich der Eifer der göttlichen Liebe findet, da ist ja weder die eine noch die andere Reinheit vergessen. Die Apostel hatten Überfluss an dieser Liebe; lass uns sie deshalb darum bitten, dir zu helfen!“

Wieder zeigte sich die Mutter und sagte: „Mein Sohn, du brauchst ferner ein Pferd und einen Sattel. Mit dem Pferd ist – geistlich gesehen – die Taufe gemeint. Denn wie das Pferd auf seinen vier Füßen den Mann auf dem Weg führt, den er zurücklegen will, so führt die Taufe, die mit dem Pferd gemeint ist, den Menschen vor Gottes Angesicht.
Das hat vier geistliche Wirkungen. Die erste ist, dass die Getauften vom Teufel befreit werden und auf Gottes Gebot und zu seinem Dienst verpflichtet werden. Die zweite ist, dass sie von der Erbsünde gereinigt werden. Dir dritte ist, dass sie Gottes Kinder und erben werden. Die vierte ist, dass der Himmel für sie geöffnet wird. Aber auch, wenn viele ins Alter der Vernunft kommen, legen sie dem Pferd der Taufe einen Zaum an und lenken es auf einen falschen Weg.

Sicher, der Weg der Taufe ist richtig und wird in rechter Weise befolgt, wenn der Mensch schon vor dem reifen Alter unterrichtet und in guten Sitten gefestigt wird, und wenn er, nachdem er das Alter der Vernunft erreicht hat, fleißig bedenkt, was am Taufstein versprochen wurde, und dass er den Gottesglauben und die Gottesliebe ungeschmälert bewahrt. Aber man legt dem Pferd Zügel an und lenkt es vom rechten Weg ab, wenn man die Welt und das Fleisch über Gott stellt.

Der Sattel des Pferdes, d.h. der Taufe, bezeichnet die Wirkung von Jesu Christi bitterem Leiden und seinem Tod; dadurch erhält die Taufe ihre Wirkung. Was ist das Wasser anderes, als ein Element? Aber seit Gottes Blut vergossen ist, wurde Gottes Wort und die Kraft von Gottes vergossenem Blut dem Element beigefügt. So wurde das Wasser der Taufe durch Gottes Wort zu einer Versöhnung zwischen Mensch und Gott, eine Pforte der Barmherzigkeit, die Vertreibung des Teufels, der Weg zum Himmel, die Vergebung der Sünden.

Wer sich der Kraft der Taufe rühmen will, soll also zuerst die Bitterkeit der Stiftung bedenken, die der Taufe ihre Wirkung gab, so dass der Mensch, wenn er sich in seinem Sinn gegen Gott erhoben hat, bedenkt, mit welch bitterer Pein er erlöst worden ist, wie oft er gegen das Taufgelübde verstoßen hat, und welch Strafe er für seinen Rückfall in die Sünde verdient.
Damit der Mensch ständig im Sattel der Taufe sitzen kann, sind zwei Steigbügel notwendig, nämlich eine zweifache Betrachtungsweise unter Gebet. Zuerst soll er so beten: „O Herr, allmächtiger Gott, gesegnet seist du, der mich geschaffen und erlöst hat! Als ich wert war, verdammt zu werden, hast du trotz meiner Sünden Geduld mit mir gehabt und mich zur Buße zurückgebracht. Vor deiner Majestät bekenne ich, o Herr, dass ich in unnützer und verwerflicher Weise alles vergeudet habe, was du mir zu meiner Erlösung gegeben hast, dass ich die Zeit meiner Buße mit eitlen Dingen vergeudet habe, dass ich mich der Schwelgerei und übertriebenem Luxus hingegeben habe, und durch Hochmut die Taufgnade verwirkt habe.

„Alles habe ich mehr geliebt als dich, mein Schöpfer und Erlöser, mein Erzieher und Bewahrer, daher rufe ich deine Barmherzigkeit an, denn siehe, ich bin elend durch mich selbst. Ich habe deine milde Geduld nicht bemerkt, ich habe deine strenge Gerechtigkeit nicht gefürchtet, ich habe nicht daran gedacht, wie ich dir deine unzähligen Wohltaten vergelten könnte. Stattdessen habe ich dich Tag für Tag mit meinen schlechten Handlungen gereizt, und ich habe jetzt nur ein einziges Wort, mit dem ich komme, nämlich: „Gott, erbarme dich über mich nach deiner großen Barmherzigkeit!“

Das zweite Gebet soll so sein: „O Herr, allmächtiger Gott, ich weiß, dass ich alles von dir habe, und dass ich ohne dich nichts bin und vermag außer dem, was ich selbst getan habe, nämlich Sünde. Daher rufe ich in Demut deine Gottheit an, dass du nicht nach meinen Sünden mit mir handelst, sondern nach deiner großen Barmherzigkeit. Und sende mit deinen Heiligen Geist, der mein Herz erleuchten möge, und stärke mich auf dem Weg deiner Gebote, so dass ich im Guten beharre, das ich durch deine Eingebung verstanden habe, und nie durch irgendwelche Versuchung von dir getrennt werde.“ Weil du dies nicht hast, mein Sohn, wollen wir also die Menschen bitten, die Gottes Leiden am bittersten in ihrem Herzen befestigt haben, dass sie dir etwas von ihrer Liebe abgeben.“

Nachdem dies gesagt war, zeigte sich gleich etwas wie ein Pferd, das mit goldenen Verziehrungen ausgestattet war. Die Mutter sagte: „Diese Ausrüstung für das Pferd bezeichnet Gaben des Heiligen Geistes, die in der Taufe mitgeteilt werden. Ob die Taufe von einem guten oder einem schlechten Priester verrichtet wird, wird die Erbsünde jedenfalls ausgetilgt, wird die Gnade vermehrt, wird jede Sünde vergeben und wird der Heiligen Geist zum Pfand gegeben, die Engel zum Schutz und das Himmelreich zum Erbteil. Siehe, mein Sohn, das sind die Schmuckstücke eines geistlichen Ritters. Wenn er mit ihnen ausgerüstet ist, wird er den unaussprechlichen Lohn empfangen, mit dem ewigen Freude, Ehre und Ruhe, ewiger Überfluss und ein Leben ohne Ende erkauft werden.“ Dieser Ritter war Herr Karl, ein Sohn der hl. Birgitta.