66. Kapitel

Der Sohn spricht: „Ein Herr verband sich mit einer Frau, für die er ein Haus baute, Diener, Dienerinnen und lebensnotwendige Dinge anschaffte. Dann fuhr er fort. Schließlich kam dieser Herr zurück und hörte da, dass die Ehefrau einen schlechten Leumund hatte, dass die Diener ungehorsam und die Dienerinnen schimpflich waren. Im Zorn darüber lieferte er seine Frau aus, gerichtet zu werden, die Diener, um gepeinigt zu werden, und die Dienerinnen, um ausgepeitscht zu werden.

Ich, Gott, bin dieser Herr. Ich nahm die Seele des Menschen, die von der Macht meiner Gottheit geschaffen ist, zur Frau, und ich wollte die unaussprechliche Süßigkeit meiner Gottheit mit ihr haben. Ich habe mich mit ihr im Glauben, in Liebe und in der Beharrlichkeit der Tugenden verbunden. Für diese Seele habe ich ein Haus gebaut, als ich ihr einen sterblichen Körper gab, in dem sie erprobt und in Tugenden geübt werden sollte.
Dieses Haus, d.h. der Körper, hat vier Eigenschaften, nämlich edles Wesen, Sterblichkeit, Veränderlichkeit und Vergänglichkeit. Edel ist der Leib, weil er von Gott geschaffen ist, weil er teil an allen Elementen hat und am Jüngsten Tage zu einem ewigen Leben auferstehen wird. Aber im Vergleich zur Seele ist er nicht edel, denn er ist aus Erde, während die Seele geistig ist.

Weil der Körper also ein edles Wesen hat, muss er mit Tugenden geschmückt werden, so dass er am Gerichtstag verherrlicht werden kann. Sterblich ist der Körper, weil er aus Erde ist. Er muss deshalb stark gegen die Genüsse der Versuchung sein – wenn er ihnen unterliegt, verliert er Gott. Der Leib ist auch veränderlich, und deshalb muss er durch die Vernunft der Seele Beständigkeit gewinnen. Wenn er den Trieben folgt, wird er wie die unvernünftigen Tiere. Viertens ist der Leib vergänglich, und deshalb muss er stets rein sein, denn der Teufel ersehnt die Unreinheit, aber flieht vor der Fürsorge der Engel.

Es ist die Seele, die in diesem Haus, d.h. im Körper wohnt. Sie sitzt da wie in einem Haus und gibt dem Körper Leben. Ohne die Gegenwart der Seele ist der Körper hässlich, stinkend und abscheulich anzusehen. Die Seele hat gleichsam fünf Diener, die dem Hause zu seiner Freude dienen. Der erste Diener ist das Augenlicht, das wie ein guter Beobachter sein soll, der unterscheiden kann, ob es Feinde oder Freunde sind, die kommen.

Feinde kommen, wenn die Augen schöne Gesichter und fleischliche Genüsse sehen wollen – ja all das, was in der Tat schädlich und unsittlich ist. Freunde kommen, wenn die Seele ihre Freude daran findet, mein Leiden und die Taten meiner Freunde und das zu betrachten, was zu Gottes Ehre dient. Der zweite Diener ist das Gehör, das wie ein guter Türhüter ist, der den Freunden öffnet und den Feinden zuschließt. Er öffnet den Freunden, wenn er Freude daran hat, Gottes Wort und Predigt sowie von den Taten der Freunde Gottes zu hören. Er verschließt die Tür vor den Feinden, wenn Lästerung, leichtfertige und eitle Reden verboten werden.

Der dritte Diener ist der Geschmack an Speise und Trank. Er ist wie ein guter Arzt, der die Nahrung nach dem einrichtet, was notwendig ist, aber nicht nach Überfluss und Schwelgerei. Nahrungsmittel sollen nämlich wie Heilmittel eingenommen werden. Deshalb soll man, was den Geschmack betrifft, beachten, dass man weder zu viel, noch zu wenig zu sich nimmt. Wenn man zu viel Essen zu sich nimmt, entsteht Krankheit; wenn man zu wenig verzehrt, entsteht Müdigkeit und Schlaffheit im Dienste Gottes.
Der vierte Dienst ist das Gefühl. Das muss wie ein guter Arbeiter sein, der mit seinen Händen rechtschaffen für den Unterhalt des Leibes tätig ist, indem er klug dafür arbeitet, die unzulässigen Regungen des Fleisches zu unterdrücken und sehnsüchtig danach strebt, die ewige Erlösung zu gewinnen.

Der fünfte Diener ist der Duft angenehmer Dinge. Um des ewigen Lohnes willen kann der bei vielen Dingen fortfallen. Deshalb soll dieser Diener wie ein guter Verwalter sein; er soll bedenken, ob dies oder das der Seele nützt, ob er damit irgendein Verdienst erwerben kann, ob der Körper auch ohne das bestehen kann. Aber wenn der Mensch bedenkt, dass der Körper auch ohne allerhand angenehme Düfte bestehen und leben kann, und er dann Gott zuliebe darauf verzichtet, dann verdient er einen großen Lohn von Gott, denn es ist eine Tugend, die Gott sehr gut gefällt, wenn die Seele auf das verzichtet, was zulässig ist.

Wenn die Seele nun solche Diener hat, muss sie auch fünf gutartige Dienerinnen haben, die ihre Herrin vor Gefahren beschützen und bewahren. Die erste soll gottesfürchtig und gewissenhaft sein, so dass der Bräutigam nicht dadurch beleidigt wird, dass seine Gebote übertreten werden, oder die Herrin sich nicht nachlässig zeigt. Die zweite soll fromm sein, so dass sie nichts anderes sucht, als die Ehre ihres Herrn und den Nutzen ihrer Herrin.

Die dritte soll maßvoll und standhaft sein, so dass die Herrin in der Stunde der Freude weder zu aufgekratzt ist, oder in der Stunde der Prüfung versagt. Die vierte soll geduldig und klug sein, so dass sie die Herrin trösten kann, wenn Unglück kommt. Die fünfte soll züchtig und keusch sein, so dass man weder in ihrem Denken, ihrer Rede noch ihrem Tun etwas Ungehöriges oder Ausgelassenes finden kann.

Wenn die Seele ein solches Haus hat, wie ich nun beschrieben habe, und so wohlgeratene und sittsame Dienerinnen, ist es eine Schande, wenn die Seele selbst, die Herrin, nicht schön und fromm ist. Deshalb will ich dir auch die Zier und Schönheit der Seele zeigen. Sie muss verständig sein, wenn es darum geht, zu unterscheiden, was für den Körper getan werden muss, und was für Gott, denn die Vernunft und Liebe hat sie mit den Engeln gemeinsam.

Deshalb soll sie das Fleisch wie einen Esel behandeln, ihm das Lebensnotwendige mit Maßen geben, ihn mit Arbeit ermuntern, ihn mit Gottesfurcht und Zurückhaltung strafen und auf seine Regungen Acht geben, so dass er nicht der Schwachheit des Fleisches dermaßen unterliegt, dass die Seele sich gegen Gott versündigt. Zweitens soll die Seele himmlisch sein, denn sie hat das Bild des himmlischen Gottes, und deshalb soll sie nie am Fleischlichen Geschmack finden oder ihre Lust daran haben, so dass sie sich dadurch selbst nach dem Bild des Teufels richtet.

Drittens soll sie brennend in der Liebe zu Gott sein, denn sie ist die Schwester der Engel und unsterblich und ewig. Viertens soll sie schön in aller Tugend sein, denn sie soll in Ewigkeit Gottes Schönheit erblicken. Aber wenn sie Ja zum Fleisch sagt, dann wird sie auf ewig hässlich.

Die Herrin, d.h. die Seele, muss auch Nahrung haben. Ihre Kost ist die Erinnerung an Gottes Wohltaten, das Bedenken seiner schrecklichen Gerichte, und die Freude an seiner Liebe und seinen Geboten. Daher soll die Seele sorgsam darauf achten, dass sie nie vom Fleisch gelenkt wird, denn da gerät alles in Unordnung. Da wollen auch die Augen das Angenehme und Schädliche sehen und die Ohren eitle Dinge hören, und es gefällt auch dem Menschen, das Leckere zu kosten, und unnütz für die Welt zu arbeiten.

Da erlahmt auch der Verstand, da herrscht die Ungeduld, da vermindert sich die Frömmigkeit, da wächst die Ausgelassenheit, da wird die Sünde als eine geringe Sache angesehen, und das Zukünftige nicht beachtet. Da verliert auch die geistige Kost ihren Wert für die Seele, und all das, was zu Gott gehört, erscheint ihr schwer und mühsam.

Denn wie kann die ständige Erinnerung in Gott dort Freude bereiten, wo das Vergnügen des Fleisches herrscht? Oder wie vermag die Seele sich nach Gottes Willen zu richten, wenn ihr nur das Fleischliche gefällt? Oder wie kann sie das Wahre vom Falschen unterscheiden, wenn ihr all das, was zu Gott gehört, zu schwer ist? Von einer so missgestalteten Seele kann gesagt werden, dass Gottes Haus dem Teufel zu Steuern und zum Dienst verpflichtet ist.

So ist die Seele eines toten Mannes, wie du siehst. Der Teufel hat ihn nämlich mit neunfachem Recht. Erstens, weil er freiwillig der Sünde zustimmte. Zweitens, weil er seine Taufwürde und sein Taufgelübde verachtete. Drittens, weil die Gnade der Konfirmation nicht würdigte, die der Bischof vermittelt hat. Viertens, weil er nicht auf die Zeit geachtet hat, die ihm gegeben wurde, um Buße zu tun. Fünftens, weil er in seinen Werken mich, Gott, oder meine Gesichte nicht gefürchtet hat, sondern sorgsam von mir abgewichen ist. Sechstens, weil er meine Geduld verachtete, gerade als ob es mich nicht gäbe, oder als ob ich nicht richten wollte. Siebtens, weil er weniger auf meine Ratschläge und Gebote achtete, als auf die der Menschen. Achtens, weil er Gott nicht von Herzen für seine Wohltaten dankte; sein Herz hing ja voll und ganz an der Welt. Neuntens, weil mein ganzes Leiden in seinem Herzen wie tot war.

Deshalb leidet er jetzt neun Plagen. Die erste ist, dass er alles, was er leidet, nicht aus Liebe, sondern mit bösem Willen leidet. Die zweite ist, dass er den Schöpfer verlassen hat und das Geschaffte liebte. (Daher verabscheut ihn jetzt jedes geschaffene Wesen.) Die dritte Plage ist Trauer, denn er muss alles verlassen und verlieren, was er geliebt hat, und das geht ihm nun gegen den Strich. Die vierte ist Hitze und Durst, denn er hat das Vergängliche mehr als das Ewige geliebt. Die fünfte ist der Schrecken und die Macht der Teufel, denn er wollte nicht den milden Gott fürchten, als er es noch konnte.

Die sechste Plage ist der Verlust der Gottesschau, denn er hat zu seinen Lebzeiten nicht Gottes Geduld gesehen. Die siebente ist das Verzweifeln an der Vergebung, denn er weiß nicht, wie weit er erlöst werden wird oder nicht. Die achte ist der Stachel des Gewissens, denn er hat das Gute unterlassen und das Böse getan. Die neunte Plage ist die Kälte und das Weinen, denn er hat sich nicht nach Gottes Liebe gesehnt.

Doch hatte diese Seele zwei gute Eigenschaften. Teils hatte sie Glauben an mein Leiden und widerstand denen, die mich schmähten, so gut sie konnte. Teils liebte sie meine Mutter und meine Heiligen und ehrte sie mit Fasten. Deshalb will ich dir sagen, weil meine Freunde für sie beten, wie sie erlöst werden kann. Erstens kann sie meines Leidens wegen erlöst werden, denn sie hat den Glauben meiner Kirche festgehalten. Zweitens wegen der Opferung meines Leibes, denn das ist eine Hilfe für die Seelen. Drittens durch die Gebete meiner Auserwählten im Himmel. Viertens durch die guten Werke, die in der heiligen Kirche geschehen. Fünftens durch die Gebete der Guten, die auf Erden leben.

Sechstens durch die Almosen, die von rechtmäßig erworbenem Gut gegeben werden, und durch die Rückgabe dessen, von dem man weiß, dass es zu Unrecht erworben ist. Siebtens durch die Mühen der Gerechten, wenn sie Pilgerfahrten zur Erlösung der Seelen unternehmen. Achtens durch Ablässe, die von Päpsten bewilligt wurden. Neuntens durch Bußübungen, die für die Seelen durchgeführt wurden, die sie selbst zu Lebzeiten nicht vollbracht haben.
Sieh, Tochter, diese Offenbarung wurde für dich von deinem Schutzpatron, dem heiligen Erik, bewirkt, dem diese Seele gedient hat. Die Zeit wird kommen, da die Bosheit dieses Landes abnehmen wird, und der Eifer für die Seelen in den Herzen vieler Menschen erwacht.“