In Zypern bat ein Franziskanerbruder Frau Birgitta, dass sie ihm raten solle, wie er in manchen Fällen handeln sollte, in denen sein Gewissen zweifelhaft war, und besonders betreffs seiner Ordensregel. Als sie eines Tages in Jerusalem für den genannten Bruder betete, offenbarte sich ihr Christus und sagte ihr vieles über den Franziskanerorden und drohte zuletzt allen Ordensbrüdern, die Eigentum besaßen, mit ewigem Tod.
20. Kapitel

Unendlicher Dank und demütiger Dienst, Lob und Ehre sei Gott in seiner Macht und ewigen Majestät, ihm, der ein Gott in drei Personen ist! Es hat ihm gefallen, dem unendlich Guten, in seiner allerwürdigsten Menschengestalt zu einer Person zu sprechen, die im Gebet versenkt war.

Er sagte: „Höre du, die die Gnade empfangen hat, geistliche Dinge zu hören und zu sehen, und bewahre diese meine Worte genau im Gedächtnis! Es war ein Mann, der Franziskus hieß. Als er sich von weltlicher Hoffahrt und Habsucht und vom lasterhaften Vergnügen des Fleisches zur Buße und zum geistlichen Leben der Vervollkommnung bekehrt hatte, bekam er aufrichtige Reue über alle seine Sünden und den festen Willen, sich zu bessern.

Er sagte da: „Es gibt nichts auf dieser Welt, was ich nicht willig der Liebe und Ehre meines Herrn Jesus Christus überlassen würde, und es gibt auch nichts in diesem Leben, das so schwer ist, dass ich es nicht froh aus Liebe zu ihm ertragen wollte. Zu seiner Ehre will ich alles tun, was ich nach den Kräften meines Leibes und meiner Seele kann, und ich will so viele Menschen wie möglich dazu bringen und bestärken, Gott von ganzem Herzen über alles zu lieben.“

Die Ordensregel, nach der dieser Franziskus zu leben begann, war nicht von seinem eigenen menschlichen Verstand und seiner eigenen Klugheit diktiert, sondern von mir, nach meinem Willen. Jedes Wort, was darin geschrieben steht, wurde ihm von meinem Geist eingegeben, und dann gab und überreichte er diese Regel anderen.

Es verhält sich ebenso mit allen anderen Regeln, die meine Freunde eingeführt haben, indem sie sie selbst eingehalten und beobachtet hatten, und sie dann erfolgreich anderen gelehrt und sie ihnen gegeben hatten: Sie waren nicht von ihrem eigenen Verstand und menschlicher Weisheit diktiert und zusammengestellt, sondern von der Eingebung des Heiligen Geistes. Die Brüder von Franziskus, die Minoriten heißen, hielten und beobachteten diese Regel mehrere Jahre treu, sehr geistlich und fromm, in vollständiger Übereinstimmung mit meinem Willen.

Jedoch empfand der Teufel, der alte Feind, großen Neid und Bitterkeit darüber, dass er diese Brüder nicht mit seinen Versuchungen und seiner Heimtücke besiegen konnte. Daher versuchte er, einen Mann zu finden, dessen Willen er mit seinem eigenen böswilligen Geist vermengen konnte. Schließlich fand er einen Kleriker und dachte: „Ich würde gern in einer solchen Stellung sein, dass ich weltliche Ehre und körperlichen Genuss haben könnte und so viel Geld sammeln könnte, dass mir nichts von all dem fehlen würde, was zu meinem Unterhalt und Vergnügen dient. Deshalb will ich in den Orden des Franziskus eintreten und mich sehr demütig und gehorsam verhalten.“

Mit einer solchen Absicht und solchem Willen trat der genannte Bruder in diesen Orden ein, und gleich fuhr der Teufel in sein Herz, und der Kleriker wurde ein Bruder in diesem Orden. Der Teufel dachte nämlich: „Wie Franziskus mit seinem demütigen Gehorsam viele Menschen von der Welt abziehen wollte, um großen Lohn im Himmel zu empfangen, so wird dieser Bruder von mir, der widerspenstig genannt werden wird, nachdem er widerspenstig gegen die Regel des Franziskus war, viele (Brüder) vom Orden des Franziskus von der Demut zum Hochmut bringen, von kluger Armut zur Gewinnsucht, vom wahren Gehorsam dazu, den eigenen Willen zu tun und der Lust der Körpers zu folgen.“

Und als dieser Bruder widerstrebend in den Orden des Franziskus eintrat, fing er durch Eingebung des Teufels gleich an, zu denken: „Ich will mich so demütig und gehorsam zeigen, dass alle mich für heilig halten. Aber wenn andere fasten und Schweigen bewahren, dann werde ich wie meine besonderen Freunde das Gegenteil machen: Ich werde so heimlich essen, trinken und reden, dass keiner von den anderen es merkt.

Nach der Regel kann ich erlaubter Weise kein Geld benutzen oder Gold und Silber haben; deshalb will ich irgendeinen besonderen Freund haben, der heimlich meine Gelder und mein Gold für meine Rechnung verwahrt, so dass ich das Guthaben verwenden kann, wie ich will. Ich will auch Bücherkünste lernen und Wissen erwerben, so dass ich dadurch eine gewisse Ehre und Würde im Ordensleben gewinne, und will mir Pferde, Silbergefäße, schöne Kleider und teuren Schmuck erwerben.

Wenn mich jemand deswegen tadelt, werde ich ihm antworten, dass ich das zur Ehre meines Ordens tue. Wenn ich es außerdem zuwege bringe, dass ich Bischof werde, so kann ich in Wahrheit glücklich und vergnügt mit dem Leben sein, das ich dann führen darf, denn ich kann dann meine volle Freiheit genießen und meinen Körper belustigen.“
Nun sollst du hören, was der Teufel in diese Orden des Franziskus angestellt hat. Es ist wirklich so, dass es auf der Welt mehr Brüder gibt, die in Tat und Willen die Regel halten, die der Teufel den Bruder gelehrt hat, als die, die noch der Regel folgen, die ich den Bruder Franziskus selbst gelehrt habe. Du sollst aber wissen, dass – obwohl diese Brüder, d.h. die des Franziskus und des Bruders „widerspenstig“ miteinander vermischt sind, solange sie auf Erden leben, werde ich sie doch nach dem Tode trennen denn ich bin deren Richter.

Ich werde dann die Brüder, die der Regel des Franziskus gefolgt sind, dazu veranlassen, bei mir und Franziskus in der ewigen Freude zu bleiben, während die, die der Regel des „Bruders Widerspenstig“ gefolgt sind, zu ewiger Strafe in der Tiefe der Hölle verurteilt werden, sofern sie sich nicht noch vor dem Tode bessern und demütig Buße tun wollten.

Das ist nicht verwunderlich, denn die, die den Weltmenschen ein Beispiel an Demut und Heiligkeit geben sollten, die geben nun hässliche und lasterhafte Beispiele mit ihrer Habgier und ihrem Hochmut. Solche Brüder können deshalb gewiss sein – und das können auch andere Mönche sein, denen es nach ihrer Regel verboten ist, Eigentum zu besitzen, es aber doch gegen ihre Regel haben, und die mich dadurch besänftigen wollen, mir einen Teil davon zu geben – dass deren Gaben mir leid und verhasst und keiner guten Gegengabe wert sind.

Es ist mir nämlich lieber und gefällt mir besser, wenn sie gewissenhaft die heilige Armut einhalten, die sie nach ihren Regeln gelobt haben, als wenn sie mir all das Gold und Silber, ja alle die Metalle anbieten würden, die es auf der Welt gibt.
Du, die meine Worte hört, sollst auch wissen, dass es dir nicht erlaubt worden wäre, diese Vision zu sehen, wenn mich nicht einer meiner guten Diener von ganzem Herzen aufrichtig für diesen Franziskanerbruder gebeten hätte und aus göttlicher Liebe gewünscht hätte, ihm ein paar nützliche Ratschläge für seine Seele zu geben.“
Nachdem ich dies gesehen und gehört hatte, verschwand die Vision.