Diese Offenbarung über das Reich Zypern und seine Besserung erhielt Frau Birgitta in Jerusalem. Sie schickte sie an den König und an den Fürsten von Antiochia, dass sie diese im ganzen Reich bekannt machen sollten. Weil aber dieser Fürst der Offenbarung keinen Glauben schenkte, veröffentlichte sie Frau Birgitta selbst am 8. Oktober (1372) auf ihrem Rückweg von Jerusalem in Anwesenheit des Königs, der Königin, des Fürsten von Antiochia und des Königlichen Rats.
19. Kapitel

Es geschah einer Person, die im Gebet wachte, dass sie entrückt wurde und sich im Geist in einen Palast von unermesslicher Größe und unsagbarer Schönheit versetzt sah. Da sah sie Jesus Christus unter seinen Heiligen auf dem Herrscherthron seiner Majestät sitzen. Er tat seinen gesegneten Mund auf und sagte die nachstehenden Worte: „Ich bin in Wahrheit die höchste Liebe, denn alles, was ich von Ewigkeit her getan habe, das habe ich aus Liebe getan, und ebenso geht alles, was ich tue und in Zukunft tun werde, ganz und gar aus meiner Liebe hervor.

Denn die Liebe ist bei mir ebenso unermesslich und stark, wie sie in der Zeit vor meinem Leiden war, als ich in meiner übermäßig großen Liebe alle Auserwählten, die dieser Erlösung wert waren, durch meinen Tod von der Hölle erlöste. Wenn es möglich wäre, dass ich ebenso viele Male sterben könnte, wie es Seelen in der Hölle gibt, so dass ich für jeden von ihnen wieder einen solchen Tod ausstehen würde, wie ich ihn damals für alle litt, so wäre mein Leib auch bereit, sich all dem mit frohem Mut und der vollkommensten Liebe zu unterwerfen. Aber nun ist es gewiss unmöglich, dass mein Leib noch einmal sterben oder irgendeine Plage und Mühe leidet.

Ebenso unmöglich ist es, dass eine Seele, die nach meinem Tode zur Hölle verdammt ist, jemals daraus befreit wird, um die himmlische Freude zu genießen, die meine Heiligen und Auserwählten beim herrlichen Anblick meines Leibes empfinden – nein, die Verdammten sollen die Höllenqualen in ewigem Tod erleiden, da sie nicht die Wohltat meines Leidens und Todes annehmen und nicht meinen Willen befolgen wollten, als sie auf Erden lebten.
Und da niemand anders Richter über die Beleidigungen ist, die mir zugefügt wurden, als ich selbst, und da meine Liebe, die ich den Menschen immer bewiesen habe, Anklagen vor meiner Gerechtigkeit vorbringt, so erfordert es die Gerechtigkeit, darüber nach meinem Willen zu urteilen.

Nun erhebe ich also Klage gegen die Bewohner im Reiche Zypern, wie gegen einen einzigen Menschen. Ich klage aber nicht meine Freunde an, die dort wohnen und mich von ganzem Herzen lieben und meinen Willen in allen Dingen befolgen, sondern ich erhebe Klage wie gegen eine einzige Person gegen alle die, die mich verachten, die sich ständig gegen meinen Willen auflehnen und mir heftig widerstehen. Ich fange nun an, zu ihnen allen wie zu einem Einzigen zu sprechen.

O Volk Zypern, das du aufrührerisch gegen mich bist, höre zu und gib genau Acht auf das, was ich sage! Ich habe dich geliebt, wie ein Vater seinen einzigen Sohn liebt, den er zu allen Ehren erheben will. Ich habe dir Land zugeteilt, wo du im Überfluss alles besitzen könntest, was zu deinem Lebensunterhalt notwendig war. Ich sandte dir die Wärme und das Licht des Heiligen Geistes, damit du den rechten christlichen Glauben verstehst, zu dem du dich treu verpflichtet hast, wie du dich auch in demütigem Gehorsam den Verordnungen der heiligen Kirche unterworfen hast.

Ich habe dich auch an einen Platz gestellt, der für einen treuen Diener gut passt – nämlich unter meine Feinde, damit du für deine irdische Arbeit und für deine Kämpfe eine umso kostbarere Krone in meinem himmlischen Reich empfangen sollst. Ich habe dich auch lange in meinem Herzen, d.h. in der Liebe meiner Gottheit getragen und dich wie einen Augenstern in allen deinen Sorgen und Mühen beschützt. Und solange du meine Gebote hieltest und in festem Gehorsam die Anordnungen der heiligen Kirche befolgtest, kommen fast unzählige Seelen aus dem Reiche Zypern in mein Himmelreich, um dort die ewige Ehre bei mit zu genießen.

Aber da du jetzt deinem eigenen Willen folgst, alles tust, was deinem Herzen gefällt, mich nicht fürchtest, der ich dein Richter bin und mich nicht liebst, der dein Schöpfer ist, und der dich auch durch meinen bitteren, qualvollen Tod erlöst hat, sondern mich stattdessen aus deinem Mund wie etwas schlecht Riechendes und schlecht Schmeckendes ausgespukt hast und den Teufel zusammen mit deiner Seele in deine Herzenskammer eingeschlossen hast, aber mich wie einen Dieb und Räuber daraus vertrieben hast, und dich nicht mehr geschämt hast, mehr als die unvernünftigen Tiere vor meinen Augen zu sündigen, um sich zu vermischen – deshalb ist es ein wohlverdientes und gerechtes Urteil, dass du von allen meinen Freunden aus dem Himmel vertrieben wirst, um ewig bei meinen Feinden in der Hölle zu bleiben.

Und das sollst du ohne jeden Zweifel wissen, dass mein Vater, der in mir ist und ich in ihm, und der Heilige Geist in uns beiden, mein Zeuge ist, dass niemals etwas anderes als die Wahrheit aus meinem Mund hervorgegangen ist. Du kannst daher gewiss sein, dass ein jeder, der so beschaffen ist, wie du jetzt bist, und sich nicht bessern will, dessen Seele wird denselben Weg gehen, den Luzifer auf Grund seines Hochmuts und Judas gehen musste, der mich in seiner Habsucht verkaufte, und Simri, der von Pinhas seiner Unzucht wegen getötet wurde. Ja dieser hat mit einer Frau gegen mein Gebot gesündigt, und deshalb wurde seine Seele nach dem Tode in die Hölle verbannt.

Deshalb verkündige ich dir, du Volk Zypern, dass ich, wenn du dich nicht bekehren und bessern willst, dein Geschlecht und deine Nachkommen im Reich von Zypern auslöschen werde und weder Arm noch Reich verschonen werde, ja ich werde dieses Geschlecht so vollständig vernichten, dass die Erinnerung an dich in kurzer Zeit aus dem Gedächtnis der Menschen in Vergessenheit geraten wird, als ob ihr niemals auf der Welt geboren wäret. Dann werde ich hier im Reiche Zypern neue Pflanzen setzen, die meine Gebote erfüllen und mich von ganzem Herzen lieben.

Doch sollt ihr wissen und dessen gewiss sein, dass ein jeder von euch, der sich bessern und demütig zu mir zurückkehren will, dem will ich mit Freude wie ein milder Hirte entgegeneilen, ihn auf meine Schultern heben und ihn selbst zurück zu meinen Schafen bringen. Unter meinen Schultern verstehe ich das, dass der, der sich bessert, der soll um meines Leidens und meines Todes willen, den ich mit meinem Leib und meinen Schultern ausgestanden habe, an dem ewigen Trost im Himmelreich teilhaben und den bei mir genießen.

Ihr sollt auch mit voller Gewissheit wissen, dass ihr, meine Feinde, die ihr in diesem Reiche wohnt, nicht wert seid, dass euch eine Vision oder göttliche Offenbarungen von mir gesandt wird. Aber einige Freunde von mir, die im selben Reich wohnen und mir treu dienen und mich von ganzem Herzen lieben, haben durch ihre Arbeit und ihre Gebete mich unter Tränen bewogen, euch die große Gefahr für eure Seelen durch diese meine Offenbarung verstehen zu lassen. Denn für einige von diesen meinen Freunden dort wurde mir von oben offenbart, dass unzählige Seelen aus demselben Reiche Zypern von der himmlischen Herrlichkeit ausgeschlossen werden und auf ewig zum Tod in der Hölle verdammt sind.

Diese oben genannten Worte sage ich den lateinischen Christen, die der römisch-katholischen Kirche im Gehorsam unterstehen, die mir in der Taufe den rechten römisch-katholischen Glauben gelobt haben, die aber durch ihre Taten mit mir gebrochen und sich ganz von mir getrennt haben. Die Griechen, die wissen, dass es allen Christen zukommt, den christlichen, katholischen Glauben allein zu halten und nur einer einzigen Kirche untertan zu sein, nämlich der römischen, und meinen einzigen, allgemeinen Stellvertreter auf Erden, nämlich den obersten Bischof in Rom, als geistlichen Hirten über sich zu haben, und die sich doch nicht dieser römischen Kirche und meinem Stellvertreter geistlich unterwerfen und ihm demütig untertänig sein wollen – sei es aus hartnäckigem Hochmut, aus Habgier, aus fleischlicher Zügellosigkeit oder aus anderen weltlichen Gründen – die sind unwürdig, nach dem Tode Erbarmen und Vergebung von mir zu erhalten.

Andere Griechen, die gern den römisch-katholischen Glauben kennenlernen würden, die aber unmöglich dazu imstande sind, die ihn fromm und willig annehmen würden, wenn sie ihn kennen würden und es ihnen möglich wäre, und sich demütig der römischen Kirche unterordnen würden, die nach ihrem Gewissen und nach der Stellung und dem Glauben leben, den sie haben, die sich von Sünde fernhalten und einen frommen Wandel führen – die sollen nach ihrem Tode mein Mitleid erfahren, wenn sie vor meinen Richterstuhl gerufen werden.

Die Griechen sollen auch wissen, dass ihr Reich und ihre Herrschaft niemals Sicherheit und die Ruhe des Friedens erleben werden, sondern ständig den Feinden unterworfen sein wird von denen sie ständig die größten Schäden und tägliches Elend ausstehen werden, bis sie sich mit wahrer Demut, Liebe und Frömmigkeit der römischen Kirche und ihrem Glauben unterwerfen und sich ganz den heiligen Verordnungen und Kultgebräuchen dieser Kirche anpassen.“
Nachdem diese Person (Birgitta) dies im Geist gesehen und gehört hatte, verschwand die Vision, und sie blieb weiter unter starkem Zittern und Verwunderung im Gebet versunken.