2. Kapitel

Gott erschien erzürnt und sagte: „Das Werk meiner Hände verschmäht mich mehr, das ich doch zu größerer Ehre bestimmt hatte. Diese Seele, der ich alle Fürsorge meiner Liebe bewiesen habe, hat mir drei Dinge angetan. Sie wandte ihre Augen von mir ab und wandte sie meinem Feinde zu. Sie richtete ihren Willen ganz auf die Welt. Sie gab sich der Zuversicht hin, frei gegen mich sündigen zu können.

Daher fällte ich ein schnelles Urteil über sie, weil sie sich nicht darum kümmerte, an mich zu denken. Weil sie ihren Willen gegen mich richtete und sich einer falschen Hoffnung hingab, habe ich ihr ihre Begierde vereitelt.“ Da rief ein Teufel und sagte: „Oh Richter, diese Seele gehört mir!“ Der Richter antwortete: „Was hast du gegen sie vorzubringen?“

Er sagte: „Die Anklage, die du vorgebracht hast, bildet meine Anklage: Sie hat dich, ihren Schöpfer, verschmäht, und deshalb ist sie meine Dienerin geworden. Und als sie so plötzlich von der Welt entrückt wurde – wie konnte sie dich da so plötzlich besänftigen? Als sie mit einem gesunden Körper auf der Welt lebte, diente sie dir nicht mit aufrichtigem Herzen, denn sie liebte die geschaffen dinge mehr als dich: sie hat die Krankheit nicht geduldig getragen, und weil sie ihre Taten nicht überlegte, wie sie hätte tun sollen, brannte sie gegen Ende ihres Lebens nicht mit dem Feuer der Liebe, und nachdem du sie so eilig abgerufen hast, gehört sie mir.“
Der Richter antwortete: „Das plötzliche Ende würde sie nicht richten, wenn nicht ihre Taten böse wären; Der Wille ohne genau Überlegung ist auf ewig verdammt.“

Da kam Gottes Mutter und sagte: „O mein Sohn, der nachlässige Diener, hatte einen Freund, der sehr vertraut mit dem Herrn und diesem lieb war; könnte dieser Freund ihm beistehen? Oder könnte er um seinetwillen erlöst werden, wenn dieser Freund dich darum bittet?“

Der Richter antwortete: „Jede Gerechtigkeit muss mit Barmherzigkeit und Weisheit vereint sein; mit Barmherzigkeit, damit die Strenge gemildert werden kann, mit Weisheit, damit Unparteilichkeit gewahrt werden kann. Aber wenn die Übertretung so war, dass sie nicht vergeben werden kann, kann die Strafe um des Freundes willen gemildert werden, doch so, dass die Gerechtigkeit nicht verletzt wird.“

Da sagte die Mutter: „Mein gesegneter Sohn, diese Seele hatte mich stets in Erinnerung, zeigte mir Verehrung und hielt meinetwegen Feste ab, obwohl sie dir gegenüber kalt war – erbarme dich deshalb über sie!“ Der Sohn entgegnete wieder: „Gesegnete Mutter; du kennst und siehst alles in mir. Wenn Diese Seele dich auch in Erinnerung hatte, tat sie das doch mehr für zeitlichen Gewinn, als für geistlichen. Meinen allerreinsten Leib behandelte sie nicht wie sie hätte tun sollen, denn ihr unreiner Mund hat die Herzlichkeit meiner Liebe von ihm ferngehalten. Ihre Liebe zur Welt und ihre Leichtfertigkeit hat ihm mein Leiden verborgen. Allzu große Hoffnung auf Vergebung, und dass sie es unterließ, an das Ende zu denken, hat ihr Leben verkürzt.

Und obwohl er ständig tätig warund mich (im Sakrament) empfing, besserte er sich dadurch nicht sehr, weil er sicht nicht vorbereitete, wie er hätte sollen. Wer einen guten Gast empfangen und bei sich beherbergen will, muss ja nicht nur die Herberge, sondern auch alle Geräte in Ordnung bringen. Das hat dieser (Priester) nicht getan, denn wenn er auch das Haus rein gemacht hat, hat er es doch nicht würdig und sorgfältig geschmückt, den Fußboden nicht mit Blumen der Tugenden geschmückt und seine Glieder nicht mit Enthaltsamkeit gefüllt.

Daher siehst du auch genau, was mit ihm geschehen soll, und was er verdient hat. Denn obwohl ich unangreifbar und unantastbar bin und mit meiner Gottheit überall bin, ist es doch sicher eine Freude, bei einem reinen Menschen zu sein, wenn ich auch sowohl bei einem Guten als auch bei einem Verdammten einkehre. Die Guten empfangen nämlich meinen Leib, der gekreuzigt wurde und zum Himmel auferstanden ist, und durch das Manna und das Mehl der Witwe angekündigt worden ist.
So handeln auch die Bösen, aber für die Guten bewirkt es größere Kraft und stärke, während sich die Bösen ein strengeres Urteil zuziehen, weil sie sich nicht scheuen, obwohl sie unwürdig sind, zu etwas so erhabenen hinzuzutreten.“

Der Teufel erwiderte: „Wenn er dir unwürdig genaht ist, und sein Gericht dadurch schwerer geworden ist – warum hast du ihm da gestattet, zu dir zu kommen und dich, der so würdig ist, zu berühren?“ Der Richter antwortete: „Du fragst nicht aus Liebe, denn die hast du nicht, sondern weil meine Kraft dich, um dieser Braut (Birgitta) willen dazu zwingt, die es hört. Sowie mich während meines Erdenlebens gute und schlechte Menschen berührt haben, als ich meine wahre Menschengestalt und meine geduldige Demut zeigen wollte, so verzehren mich Gute und Schlechte am Altar; die Guten zu größerer Vollkommenheit, aber die Bösen, weil sie nicht glauben können, dass sie verdammt sind, und dass sie, nachdem sie diesen meinen Leib empfangen haben, selbst ihren Willen ändern und sich bekehren können, wenn sie wollen.

Und wie könnte ich eine größere Liebe zeigen, als wenn ich, der Reinste, auch in das unreinste Gefäß eingehe, wenn ich auch so wie die leibliche Sonne nicht durch jemanden verunreinigt werden kann? Diese Liebe verschmähst du und deine Freunde, indem ihr eure Liebe gegen mich verhärtet.“

Da sagte die Mutter noch einmal: „Mein guter Sohn, so oft er zu dir getreten ist, hat er dich gefürchtet, wenn auch nicht so, wie er sollte. Er hat auch bereut, dass er dich verunehrt hat, wenn auch nicht vollkommen. Dies, mein Sohn, mag ihm um meinetwillen zum Gewinn gereichen.“ Der Sohn antwortete noch einmal: „Ich bin, wie der Prophet sagte, die wahre Sonne, weil besser als die körperliche. Die kann keine Berge und das Herz durchdringen, aber ich kann beides. Wenn ein Berg der Sonne widersteht, dass sie nicht in die Nähe der Erde gelangt, was steht entgegn, wenn nicht die Sünde, dass diese Seele von meiner Liebe erwärmt würde?

Wenn ein Teil des Berges abgetragen wird, ist doch die Folge, dass das, was (der Sonne) am nächsten ist, seine Wärme verliert. Und wenn ich in einen Teil einer reinen Seele eingehe, welche Freude sollte es für mich sein, wenn aus einem anderen Teil Gestank aufsteigt? Daher muss das, was unrein ist, verschwinden; dann wird die Lieblichkeit auf die Schönheit folgen.“
Die Mutter erwiderte: „Es geschehe dein Wille mit aller Barmherzigkeit!“

Erklärung
Dieser Priester wurde oft wegen seiner mangelnden Enthaltsamkeit ermahnt, wollte sich aber nicht bessern. Als er eines Tages auf die Wiese ging, um sein Pferd zu striegeln, entstand ein Unwetter, und er wurde vom Blitz getroffen und starb. Sein ganzer Leib war jedoch unbeschädigt bis auf den Intimbereich, der ganz und gar verbrannt zu sein schien. Da sagte Gottes Geist: „Tochter, die, welche von solchen bösen Lüsten gefesselt werden, verdienen es, in ihrer Seele von so etwas betroffen zu werden, was diesen Mann an seinem Leibe widerfuhr.“