80. Kapitel
(An einen Priester)

Zuerst rate ich dir, dass du in deiner Wohnung bei deiner der hl. Jungfrau Maria geweihten Kirche bleibst und nur einen einzigen Diener bei dir hast, so dass du gleich all das zurücklässt, was über deine Einkünfte hinausgeht, nachdem die notwendigen Ausgaben an deine Gläubiger abgezogen sind, und du ihnen deine Schulden vollständig bezahlst. Es ist nämlich weder zulässig noch klug, den Armen oder vermögenden Freunden und Verwandten viel Geld zu geben, bevor alle Schulden ganz und gar bezahlt sind.

Wenn alle deine Schulden bezahlt sind und die für dich und deinen Diener notwendigen Ausgaben abgezogen sind, magst du zu Gottes Ehre den Armen und Bedürftigen das geben, was übrig geblieben ist. Du solltest genau darauf achten, dass du eine ehrbare und nützliche Priestertracht hast, so dass man am Stoff und Aussehen deiner Kleider keine Prunk oder eitles Zeug bemerken kann, sondern nur das ehrbare Notwendige und den Nutzen für den Körper.

Du solltest dich auch auf zwei Kleider beschränken, eines für Feiertage und eines Werktage. Du solltest auch nicht mehr als zwei Paar Schuhe und Strümpfe haben; wenn du etwas mehr an Kleidung besitzt, solltest du sie zu etwas anderem verwenden, wovon du Nutzen hast, oder auch Schulden damit begleichen. Während des laufenden Jahres solltest du ganz von Leinenkleidern absehen, sowohl bei Nacht als auch bei Tage.

Deine Marienkirche solltest du dieses Jahr als Klosterkirche halten, und das aus drei Gründen. Erstens deshalb, dass – wenn du früher aus etwas Hochmut dort residiert hast, so solltest du fortan dort in göttlichem Gehorsam zu Ehren der tief demütigen Jungfrau Maria Dienst tun. Und wenn die Kanoniker und Präbendepriester dieser Kirche dich vielleicht durch leichtfertige Worte von Gottes Dienst zu bösem Begehren abgelenkt haben, so solltest du jetzt mit Gottes Hilfe versuchen, manchen durch fromme und geistliche Worte vom bösen Begehren zu der Freude bringen, Gott zu lieben. Und wenn du vielleicht durch ein unzulässiges Auftreten manchen, die dich gesehen haben, ein schlechtes Beispiel gegeben hast, so solltest du dich stattdessen darum bemühen, ihren Seelen durch deine guten Taten und ehrbare Sitten ein nützliches und tugendhaftes Beispiel zu geben.

Weiter sollst du, lieber Freund, in kluger und verständiger Weise Nacht – und Tageszeiten zu Gottes Lob einrichten. Ich habe bemerkt, dass die Glocken in eurer Kirche ordentlich zu festgesetzten Zeiten läuten. Deshalb rate ich, dass du, sobald du sie des Nachts hörst, aus dem Bett aufstehst, fünfmal die Knie beugst und fünf Vaterunser und Ave Maria liest und an die fünf Wunden Jesu Christi und an den Schmerz seiner hochwürdigen Mutter denkst. Dann sollst du die Matutin zu Ehren der hl. Jungfrau beginnen und andere Gebete lesen, die dir gefallen, bis die Kanoniker sich im Chor versammeln, um zu singen.

Und es ist besser, dass du mit den Ersten zur Kirche kommst, als mit den Letzten. Du sollst die Tagesmatutin andächtig und würdig singen, bis zum Schluss stehen und zwischendurch sitzen, wenn es passt. Aber du solltest keinesfalls reden, sofern du nicht nach etwas gefragt worden bist – in diesem Fall solltest du mit so wenigen Worten wie möglich antworten, nicht mit sehr lauten Worten und ohne eine erzürnte oder ungeduldige Gebärde, wenn das zu vermeiden ist.

Du sollst dich ja sehr höflich benehmen, wenn du in Gegenwart eines zeitlichen und irdischen Herrn bist – wie viel mehr musst du dich dann mit aller Würde, Artigkeit und demütiger Verehrung, innerlich und äußerlich, in Gegenwart und im Dienst des ewigen Himmelskönigs verhalten, der immer und überall gegenwärtig ist und alles sieht!
Und wenn du vielleicht aus irgendwelchen wichtigen Anlässen, die dich oder einen anderen betreffen, gezwungen bist, mitten während des laufenden Stundengebets zu sprechen, so solltest du den Chor verlassen und draußen mit einigen und leisen Worten das beantworten, was du für notwendig hältst, wonach du unverzüglich zu deinem Chorstuhl zurückkehrst. Und wenn du kannst, so veranlasse, dass die Erledigung dieser Angelegenheit an einen anderen Ort und eine andere Zeit verschoben wird, so dass nicht der Gottesdienst und Gottes Verehrung Abbruch leidet oder gar verhindert wird.

Lass es auch bleiben, in der Kirche herumzuspazieren, während die Stundengebete gesungen werden, denn das zeugt von einem unsteten und flüchtigen Sinn und einem lauwarmen Geist und beweist wenig Liebe und Andacht. Während der Stundengebete magst du beten oder etwas lesen, was nützlich, fromm oder sonst wie nützlich für die Seele ist, wobei du stets beachten musst, dass du von der Stunde, da du das Bett verlässt, um die Matutin zu singen, und bis zum Abschluss der Hochmesse, nicht gern jemand anderes dich in Anspruch nehmen lässt, als Gesang, Lesen, Gebet oder Studium, sofern ihr in eurem Kapitel zwischendurch Angelegenheiten oder Verbesserungen der Kirche behandeln müsst, die in ihrem Schoß erfolgen müssen.

Wenn die Hochmesse gehalten ist, passt es sehr gut, sich über leibliche Erfordernisse und Angelegenheiten zu unterhalten und sich eine ehrbare und tugendhafte Zerstreuung zu gönnen. Wenn du zu Tisch gehst, sollen die Tischgebete gelesen werden. Und wenn du Gast bei einem anderen bist oder selber Gäste hast, solltest du beim Essen zuerst von Gott oder seiner hochwürdigen Mutter oder von etwas Heiligen sprechen – zur Erbauung und zum Nutzen für die Tischnachbarn oder auch die Bedienung, wenigstens ein oder zwei Worte, oder auch die anderen etwas über Gott, seine Mutter oder über Gottes Heiligen fragen. Auch wenn du allein zu Tisch sitzest und dein Diener dabeisteht, sollst du das tun, und als Tischlerung sollst du das haben, was in den Klöstern gelesen wird, wenn die Brüder essen.

Wenn die Mahlzeit beendet ist und du Gott und deinen Gastgebern gedankt hast, kannst du eine kurze Zeit mit ein paar ehrenwerten Leuten, die du gern hast, über Sachen und Angelegenheiten sprechen, die dich betreffen. Dann magst du in deine Kammer gehen, fünfmal die Knie beugen und fünfmal das Vaterunser und Ave Maria lesen, um der Wunden unseres Herrn Jesus Christus und des Schmersez seiner Mutter willen.
Die Hälfte der Zeit, die bis zur Vesper übrig ist, magst du zum Lesen, zum Studium und zur Ruhe verwenden, sofern du nicht von deinen Freunden wegen etwas aufgehalten wirst, was sie betrifft; die andere Hälfte magst du zu einem Spaziergang zur ehrbaren körperlichen Erquickung verwenden, so dass du umso mehr Kraft zu Gottes Lob hast.

Wenn es zur Vesper läutet, solltest du dich gleich zum Chor der Kirche begeben, um das Offizium zu singen, und du solltest dich so im Chor verhalten, wie oben beschrieben ist. Jeden Tag solltest du, nachdem das Kompletorium gelesen ist, und bevor du Abendbrot gegessen hast, die Matutin mit drei Lesestücken für die Toten verrichten.
Die Zeit nach dem Abendessen kannst du in derselben Weise wie nach dem Mittagessen verbringen. Nach der Danksagung kannst du spazieren gehen und nützlichen und erfreuliche Worte reden, bis du gehen und dich legen willst. Ehe du zu Bett gehst, solltest du vor dem Bett auf die Knie fallen und fromm fünf Vaterunser und fünf Ave Maria zum Gedächtnis an Jesu Christi Leiden lesen.

Dann magst du zu Bett gehen und deinem Körper so viel Schlaf und Ruhe gönnen, dass du nicht während der Wachzeiten auf Grund von allzu kurzem Schlaf und zu kurzer Ruhe gezwungen wirst, zu schlafen.
Jeden Freitag solltest du fromm die sieben Basspsalmen und die Litanei lesen. An diesem Tage magst du auch aus Verehrung für die fünf Wunden Jesu Christi fünf bedürftigen Armen fünf Silbermünzen geben.

Weiter rate ich dir, liebster Bruder und Freund, dass du dieses Jahr diese Abstinenz um deiner eigenen Sünden willen einhältst. Jeden Tag während des ganzen Vierzig tage Fastens und im Advent solltest du dich mit einer einzigen Fischmahlzeit begnügen. Alle Nachtwachen bis zu den … (Vårfrudagar) solltest du bei Brot und Wasser fasten, und alle Apostelvigilien bei Fisch. Am Mittwoch magst du Käse, Eier und Fisch zur Mahlzeit haben. An den Freitagen solltest du nur Brot und Wein genießen, so rate ich davon nicht ab. An den Samstagen magst du Fisch und Öl zum Mittagessen haben. Am Sonntag, Montag, Dienstag und Donnerstag kannst du zweimal am Tage Fleisch essen, wenn die Kirche da nicht gerade Fasten vorschreibt.
Merke, lieber Bruder, dass ich aus drei Gründen beschlossen habe, zu schreiben und dir dies zu raten.

Erstens, damit dich nicht der Neid und die List des Teufels dahin bringe, dass du dich selbst so schnell verausgabst und deine Sinneskräfte so ermatten lässt, dass du für den Rest deines Lebens Gott weniger dienst, als du solltest. Zweitens deshalb, dass die Weltmenschen, wenn sie einen Mangel an deinen seelischen oder körperlichen Kräften bemerken, die durch zu viel Arbeit veranlasst sind, oder dich in der Arbeit, mit der du begonnen hast, ermüden sehen, sich davor scheuen, selbst eine göttliche Arbeit zu übernehmen. Drittens deshalb, weil ich hoffe, dass deine Taten Gott mehr gefallen, wenn du dich lieber demütig nach dem Rat eines anderen richten willst, als dich selbst nach eigenem Gutdünken zu lenken.