99. Kapitel

Die Mutter spricht: „In dieser Zeit wurde mein Sohn gepeinigt. Als Judas, sein Verräter, sich ihm nahte, beugte er sich zu ihm nieder (denn Judas war kleingewachsen) und sagte: „Freund, warum bist du hergekommen?“ Und gleich packten ihn andere; manche zogen ihn an den Haaren, andere spuckten ihn an.“
Danach sprach der Sohn und sagte: „Ich werde wie ein Wurm geachter, der im Winter wie tot daliegt, und auf den die Vorbeigehenden spucken und auf seinen Rücken trampeln. Die Juden haben mich heute behandelt wie einem Wurm, denn sie hielten mich für das schmählichste und elendste Geschöpf.

So verachten mich sogar die Christen, denn alles, was ich aus Liebe für sie getan und ausgestanden habe, das halten sie für eine Nichtigkeit. Sie trampeln auch meinen Rücken, wenn sie einen Menschen mehr fürchten und verehren, als mich, ihren Gott, und wenn sie meine Gerechtigkeit für nichts halten und nach ihrem Gutdünken die Zeit und Art für mein Erbarmen bestimmen wollen.
Weiter schlagen sie mich sozusagen auf die Zähne, wenn sie – nachdem sie meine Gebote und mein Leiden gehört haben, sagen: „Lasst uns in diesem Leben tun, was uns Vergnügen macht, das Himmelreich werden wir auf alle Fälle erhalten, denn wenn Gott uns vergehen lassen oder in Ewigkeit strafen lassen wollte, so hätte er uns nicht geschaffen und uns auch nicht mit einer so bitteren Pein erlöst.“

Daher werden sie meine Gerechtigkeit Kennen lernen, denn ebenso wie nicht einmal das kleinste Gute unbelohnt bleiben wird, so wird auch das geringste Böse nicht ungestraft bleiben. Sie verachten mich auch und trampeln sozusagen auf mir herum, wenn sie die Urteil der Kirche, nämlich denn Bannfluch, nicht beachten. Ebenso wie die Gebannten öffentlich von allen anderen gemieden werden, so werden sie deshalb auch von mir getrennt, denn wenn ein Mensch weiß, dass er gebannt ist, sich aber nicht darum schert, schadet er dem Bannfluch mehr, als ein leibhaftiges Schwert. Deshalb will ich, der nun einem Wurm gleicht, durch mein schreckliches Gericht zum Leben erwachen, und ich werde so schrecklich kommen, dass die, die mich sehen, zu den Bergen sagen werden: „Fallt über uns und verbergt uns vor dem Anblick von Gottes Zorn!“