10. Kapitel

Maria spricht): „Ich bin die Königin des Himmels. Ich bin die Mutter der Barmherzigkeit, die Freude der Gerechten und der Zugang der Sünder zu Gott. Es gibt keine Pein im Fegefeuer, die nicht meinetwegen sanfter und leichter zu tragen wäre, als sie es sonst sein würde. Es gibt niemanden, der so verdammt ist, dass er zu Lebzeiten ganz ohne meine barmherzige Hilfe ist, denn meinetwegen wird er von den Teufeln leichter versucht, als wenn er es sonst geworden wäre. Es gibt niemanden, der so abgewandt von Gott ist, - sofern er nicht völlig verdammt ist – dass er nicht, wenn er mich anruft, zu Gott zurückkehren und Mitleid finden könnte.

Nun will ich dir zeigen, weil ich barmherzig bin und Barmherzigkeit von meinem Sohn erlangt habe, wie dieser dein verstorbener Freund, um den du dir Sorgen machst, von den sieben Plagen erlöst werden kann, von denen mein Sohn zu dir geredet hat.
Erstens soll er aus dem Feuer erlöst werden, in dem er seiner Geilheit wegen gepeinigt wird, wenn jemand – nach den drei Ständen, welche die Kirche für Frauen vorgeschrieben hat, nämlich den der verheirateten Frauen, den der Witwen und der Jungfrauen – um seiner Seele willen einer Frau zur Ehe verhelfen will, eine andere in ein Kloster bringen und einer dritten helfen will, im Witwenstand zu leben, denn er hat durch Unzucht schwer gesündigt – ja sogar in der Ehe, indem er das Ehebett verunehrt hat.

Zweitens sündigte er in dreifacher Weise durch Schwelgerei: erstens dadurch, dass er ohne Maß und Grenzen lecker aß und trank, zweitens dadurch, dass er sich in seinem Hochmut, um gesehen zu werden, viele Gerichte zubereiten ließ, drittens dadurch, dass er zu lange bei Tisch saß und göttliches Tun versäumte. Deshalb soll der, der das will, zur Ehre Gottes, der einer und doch dreifach ist, für diese dreifache Schwelgerei des Toten während eines ganzen Jahres drei Arme beköstigen und ihnen ebenso gute Gerichte vorsetzen, wie er selbst genießt, und er soll nicht eher essen, als bis er diese drei essen sieht, damit dieses kurze Warten das lange Sitzen deines Freundes bei Tisch ausgleicht. Ferner soll er die drei Armen mit Kleidern und Bettwäsche versehen, so wie er sieht, dass sie es brauchen.

Drittens soll – um den Hochmut zu versöhnen, den dieser in vielfacher Weise hatte – der, der das will, sieben Armen einmal die Woche während eines ganzen Jahres an welchem Tag er will, demütig ihre Füße waschen und dabei in seinem Herzen denken: „Herr Jesus Christus, der du von den Juden gefangen genommen wurdest, erbarme dich seiner!“ Zweitens: „Herr Jesus Christus, der du am Pfeiler angebunden warst, erbarme dich seiner!“ Drittens: „Herr Jesus Christus, der du unschuldig von den Schuldigen verurteilt wurdest, erbarme dich seiner!“

Viertens: „Herr Jesus Christus, der du deiner eigenen Kleider beraubt worden bist und mit Spottgewändern bekleidet wurdest, erbarme dich seiner!“ Fünftens: „Herr Jesus Christus, der du so hart gegeißelt wurdest, dass deine Rippen sichtbar wurden und nichts Ganzes mehr an dir war, erbarme dich seiner!“ Sechstens: „Herr Jesus Christus, der du angespieen und bespuckt wurdest, erbarme dich über ihn!“ Siebtens: „Herr Jesus Christus, der du am Kreuz ausgespannt wurdest, dessen Hände und Füße mit Nägeln durchbohrt wurden, und dessen Haupt von der Dornenkrone blutig wurde, dessen Augen voll von Tränen waren, und dessen Mund und Ohren voll von Blut waren, erbarme dich seiner!“
Nachdem er dann den Armen die Füße gewaschen hat, soll er sie erquicken, so gut er kann, und wie er sieht, dass es für sie nützlich ist, und er soll sie demütig bitten, dass sie für seine Seele beten.

Viertens hat dieser Mann auf dreifache Weise durch Müßiggang gesündigt. Erstens war er faul, zur Kirche zu gehen, zweitens darin, Ablaß zu suchen, drittens darin, den Heiligen Rasträume zu beschaffen. Um die erste Sünde zu sühnen, soll der, der Will, ein ganzes Jahr hindurch einmal im Monat zur Kirche gehen und eine Seelenmesse für seine Seele lesen lassen. Um das zweite gutzumachen, soll er, so oft er kann und will, und besonders für dessen Seele, zu den Plätzen gehen, an denen Ablaß erteilt wird, und wo er hört, dass die, die ihn erteilen, am frommsten sind. Drittens soll er seine Opfergabe durch einen armen und gerechten Menschen an die Gräber der vornehmsten Heiligen in Schweden schicken, wo sich viel Volk aus Frömmigkeit und des Ablasses wegen versammelt, wie für St. Erik, St. Sigfrid und andere solche. Und er soll den, der die Opfergabe darbringt treu belohnen.

Fünftens soll der, der will – weil dieser Verstorbene durch eitle Ehre und Freude gesündigt hat – alle Armen, die es auf seinem Hof oder in seiner Nachbarschaft gibt, ein ganzes Jahr hindurch einmal im Monat versammeln, ja sie in einem Hause versammeln und vor ihnen eine Seelenmesse lesen lassen, und der Priester soll, ehe er sie beginnt, sie ermahnen, dass sie für seine Seele beten. Nach beendeter Messe sollen all die Armen erquickt werden, so dass sie das Gastmahl froh verlassen, und so, dass der Verstorbene sich über ihre Gebete freut, und die Armen über die Erquickung, die sie erhalten haben.

Sechstens sollst du wissen – weil er seine Schulden bis zum letzten Pfennig bezahlen und dafür leiden soll – dass er gegen Ende seines Lebens den Willen hatte (wenn auch nicht so eifrig, wie er sollte), seine Schulden zu begleichen. Um dieser Absicht willen ist er jetzt unter denen, die erlöst werden. Hieraus kann der Mensch verstehen, wie groß das Erbarmen meines Sohnes ist, wenn er die ewige Ruhe für so wenig gibt. Denn wenn er diesen Willen nicht gehabt hätte, so wäre er in Ewigkeit verdammt worden.

Deshalb sollen seine Verwandten, die seine Güter geerbt haben, bereit sein, denen seine Schulden zu bezahlen, von denen sie wissen, dass sie etwas zu fordern haben, und wenn sie das tun, sollen sie sie demütig bitten, dass sie seiner Seele verzeihen, falls sie dadurch Schaden erlitten haben, dass sie so lange auf ihr Geld haben warten müssen. Wenn die Verwandten des Verstorbenen die Schulden nicht zurückzahlen, sollen sie selber seine Sünde tragen.

Ferner soll man an jedes Kloster im Reich eine Opfergabe senden, eine solche wie man will, und öffentlich im Kloster eine Messe zelebrieren lassen, und ehe die Messe beginnt, soll man für seine Seele beten, dass Gott ihr gnädig sein möge. Dann soll in einer Kirche im Kreis eine Seelenmesse gelesen werden, wo er Güter hatte. Der Priester soll diese Messe vor allem Volk singen, und ehe er damit beginnt, soll er zum Volke sagen: „Diese Messe soll für die Seele dieses Mannes dargebracht werden. Ich bitte auch in Christi Namen, dass ihr – wenn er sich in Wort oder Tat oder einem Befehl gegen euch vergangen hat, ihm das vergebt. – Danach soll er zum Altar hingehen.

Siebtens war er Richter und überließ sein Richteramt ungerechten Stellvertretern, weshalb er jetzt in Händen des Teufels ist. Doch war es gegen seinen Willen, dass sie Unrecht verübten, wenn er auch weniger darauf achtete, als er sollte. Deshalb kann er befreit werden, wenn er Hilfe erhält. Aber durch welche Hilfe? Ja durch den allerheiligsten Leib meines Sohnes, der täglich auf dem Altar geopfert wird.

Das Brot, das auf den Altar gelegt wird, ist noch Brot, ehe die Worte „Hoc est corpus meum“ ausgesprochen werden, aber nach diesen Worten wird es in den Leib meines Sohnes verwandelt, den er von mir ohne einen Flecken Sünde annahm, und der gekreuzigt wurde. Da wird der Vater im Geist von den Gliedern des Sohnes abgebetet, und der Sohn jubelt in der Macht und Majestät des Vaters. Ich, der ich seine Mutter bin und die ihn geboren hat, werde von der ganzen himmlischen Heerschar geehrt; alle Engel wenden sich ihm zu und beten an, und die Seelen der Gerechten bringen dafür Dank dar, dass sie erlöst sind.

Oh wie schrecklich ist es für die Elenden, die diesen allerehrwürdigsten Herrn mit unwürdigen Händen berühren! Dieser Leib, der aus Liebe gestorben ist, kann ihn also retten. Daher soll man an jedem Fest meines Sohnes eine Messe lesen lassen, nämlich am Weihnachtstag, eine am Neujahrstag eine am 13. Tag, eine am Tag von Christi Himmelfahrt und eine am Pfingsttag; ferner eine Messe an jedem der Feiertage, die zu meiner Ehre gehalten werden, ferner neun Messen zu Ehren der neun Engelchöre.

Wenn die Engelsmessen gefeiert werden, sollen neun Arme versammelt werden, und ihnen soll man Essen und Kleider zur Verfügung stellen, damit die Engel, in deren Obhut er gegeben ist und die er auf vielfache Weise erzürnt hat, durch diese geringe Opfergabe besänftigt werden und seine Seele seinem Gott darbringen können. Zuletzt soll eine Messe für die Toten im allgemeinen gelesen werden, so dass sie dadurch die ewige Ruhe gewinnen, und seine eigene Seele friedlich mit ihnen ruhen darf.“

Erklärung
Dies war ein Edelgeborener und barmherziger Mann. Nach seinem Tode offenbarte er sich Frau Birgitta und sagte: „Nichts hebt mich so sehr aus meinen Leiden, wie die Gebete der Gerechten und das Sakrament des Altars. Aber weil ich Richter war und meine Gerichte denen anvertraute, die die Gerechtigkeit weniger liebten, deshalb werde ich noch in der Verbannung festgehalten. Ich würde aber schneller befreit werden, wenn diejenigen, die meine Freunde sein sollten und es auch gewesen sind, sich mehr um meine Erlösung kümmern würden.“ Über diesen Mann ist in Kap. 21 dieses Buches zu lesen.