32. Kapitel

Wenn die Schlange und ihre Gemahlin sich wiederrechtlich vermischten, haben sie Gift in der Saat ihrer Begattung, und von ihrer Natur wird eine giftige Schlange geboren. Wenn die Schlange geboren ist, kann sie nur durch meine Gnade leben, denn ohne mich ist nichts, ja kann nichts sein, und nichts kann Lebensgeist ohne durch meine Kraft erhalten. So wird denn auch die Schlange geboren. Weil die Mutter keine Brustspitzen hat, an denen das Junge saugen kann, legt sie sich über das Junge und wärmt es so kräftig, dass es fast erstickt.

Wenn es nun eine so starke Wärme über sich und eine so starke Kälte im Boden unter sich spürt, dann zwingt die Not es dazu, das Maul der Erde zuzuwenden, und so fängt es allmählich an, zu saugen und Staub zu essen. Dann will die Mutter das Junge lehren, sich zu bewegen: Sie sticht ihn dann in den Schwanz, und wenn er anfängt, ihn auszustrecken, sticht sie ihn von neuem...

In derselben Weise lehrt sie ihn, den Kopf auszustrecken, indem sie ihn sticht, und sich zusammenzuringeln. Dann sucht die Mutter nach einer Stelle, wo die Sonne warm hinscheißt, und führt ihr Junges mit sich dorthin. Sie geht langsam vor ihm her, damit es lernen soll, ihr zu folgen. Wenn es ihr dorthin gefolgt ist und in der Sonnenwärme eingeschlafen ist, denkt die Mutter: „Mein Sohn hat Gift, um seine Wut auszulassen. Deshalb ist es notwendig, dass er lernt, zu stechen. Aber weil sein Stachel noch stumpf ist, wird er bald abbrechen, wenn ich etwas Hartes vor ihn hinlege, ehe er es gewohnt und stark genug ist, um zu stechen.

Deshalb sorgt die Mutter klug für ihr Junges, sucht etwas Weiches, trägt es dorthin und legt es vor das schlafende Junge. Dann bläst sie ihm kräftig in seine Ohren und weckt es so heftig auf, dass es fast außer sich davon ist und anfängt, in den weichen Gegenstand zu stechen, der vor ihm liegt. Damit gewöhnt es seinen Stachel, so dass er durch das wiederholte Stechen immer härter wird. So lernt es, in Steine, Holzstücke und andere harte Dinge zu stechen. Wenn das Junge völlig ausgelernt hat, verlässt es die Mutter.

So ist der Mann, den du ja kennst: Er ist wie ein Schlangenjunges, denn er ist von einem schlangengleichen Vater und einer schlangenähnlichen Mutter geboren. Diese beiden kamen nämlich mit dem schlimmsten Gift zusammen, nämlich dem Hochmut, der für die Seele schädlicher ist, als materielles Gift für den Körper. Diese Schlange hatte sicher eine übergroße Leidenschaft und eine unersättliche Lüsternheit und brannte vor Begierde nach der Schlangenfrau.

Sie sah, dass er klug, schön und tapfer war und brannte in der selben Liebe zu ihm. Sie kamen also mit allem Hochmut zusammen und verschmähten es, mich zu fürchten. So haben sie aus ihrem giftigen Geschlecht eine Giftschlange geboren, und in ihre Saat habe ich eine Seele gegeben, die von der Macht meiner Gottheit geschaffen ist, denn ich bin barmherzig, und so erforderte es die Gerechtigkeit.

Weil nun die Mutter nicht die Brustspitzen der göttlichen Liebe besitzt, mit denen sie ihren Sohn stillen könnte, so wärmt sie ihn unter sich, d.h. sie erzieht ihn dazu, die Welt zu lieben und führt ihn bei den hochgestellten Leuten ein, indem sie von ganzem Herzen wünscht, dass er zu den Mächtigen gezählt wird. Zu seinem eigenen Verderben stachelt sie ihn auf, indem sie sagt: „Wenn du die Herrschaft oder das Fürstentum besitzen würdest, wärest du wie dein Vater. Eine solche Ehre kommt dir zu, und nach einer solchen Ehre musst du Streben.“

Mit solchen Worten wird das Schlangenkind von seiner Mutter unterwiesen, es erwärmt sich für das Weltliche, aber erkaltet in seiner Liebe zu Gott, und es fängt also an, Erde zu fressen, indem es sich nach dem Irdischen sehnt, und wenn es frisst, hungert es ständig nach mehr. Danach wird es von der Mutter in den Schwanz gestochen, damit es lernen soll, die Glieder zu bewegen und den Kopf zu heben. Sie lehrt und ermahnt es nämlich, dass es manche Leute mit Versprechungen an sich lockt und andere mit schönen Worten und Gunstbeweisen an sich heranzuziehen, und sie ermahnt es, seine Güter nicht aufzusparen, um gut genannt zu werden, und sich keine Ruhe zu gönnen, sondern immer danach zu trachten, dass sein Name berühmt wird.

Die Mutter lehrt ihr Junges auch, zu prahlen und vor ihr her an einen sonnenwarmen Platz zu gehen, wenn sie hochmütig und zügellos lebt und es zu dergleichen aufstachelt. Sie sagt nämlich privat und öffentlich zu ihm: „So lebte dein Vater und dein Vorgänger. So müssen große Männer auftreten. Es ist eine Schande, wenn du heiliger als sie sein wolltest; Es ist unehrenhaft, wenn du demütiger als sie sein wolltest, die sich mit schmeichlerischen Reden die Gunst der Menschen erwerben wollen und sich dadurch einen großen Namen machen, dass sie sich nach deren Sitten richten.“

Von solchen Ermahnungen verlockt, folgt das Schlangenjunge seiner Mutter von einer Sünde zur anderen, bis es an die Wollust des Fleisches gerät, die mit der Sonnenwärme verglichen werden kann. Und wenn es dort seine Ruhe gefunden hat und ihm der Brand des Fleisches lieb geworden ist, lehrt ihn die Mutter, mit dem Stachel zu stechen. Aber weil die Mutter sieht, wie schwach sein Stachel ist, d.h. wie arm er an Gütern und wie schwach an Kräften ist, so reizt sie ihn erst zu weichen Dingen, d.h. dass er erst zeitliche Dinge von geringerem Wert erwirbt und auf diese Weise geringere Ehrenbezeugungen erhält, die anfangs weich und angenehm zu tragen sind.

Er folgt dann auch dem giftigen Rat und sticht unglückliche Menschen, die nicht die Kraft haben, Widerstand zu leisten, und plündert deren Eigentum. Manche sticht er, ohne etwas auszurichten, andere voll Hass und nimmt ihnen das Leben. Wenn dann der Stachel in diesen kleineren Dingen gehärtet ist, beginnt er – aufgereizt durch das Zischen der Mutter – sich an höhere Dinge zu wagen, die Mächtigen zu beneiden, anderen einen Hinterhalt zu legen und Streitigkeiten anzustiften, so dass er nicht davor zurückschreckt, seinen Stachel gegen die stärksten Dinge auszustrecken, nämlich der heiligen Kirche Unrecht zuzufügen, wenn man nicht genau darauf achtet und es klug abwehrt. Aber um den Stachel dieser Bosheit abzuwehren, dazu gibt es nur ein Mittel, nämlich die Zunge der Schlange abzuschneiden. Es kommt den Weisen zu, zu beurteilen, was seine Zunge ist, und wie sie abgeschnitten werden kann.“

Dann fügte der Herr hinzu: „Wie der Stoff nicht merkt, dass er durchstochen wird, und wie der Apfel geschält wird, ohne dass sein Besitzer dadurch Schaden leidet, so ist es mit meinem Leiden im Herzen dieser Schlange, denn nie bedenkt sie es in ihrem Herzen. Stattdessen glaubt sie an die Vorherbestimmung und sagt: „Wenn Gott im voraus weiß, dass ich verdammt werden soll, warum soll ich mich dann noch länger bemühen? Wenn er weiß, dass ich erlöst werde dann nimmt er meine Buße leicht an.“

Wehe ihm, wenn er nicht schleunigst rechte Buße tut und sich bessert, denn niemand geht ja doch verloren, weil ich alles voraussehe. Du sollst auch wissen, dass die Schlangenfrau, seine Mutter, nicht das erlangen wird, was sie so unklug haben möchte. Und die Söhne oder das Geschlecht werden sich nicht bessern, sondern sie wird in Trauer und Bitterkeit sterben, und die Erinnerung an sie soll vergessen werden.“

Zusatz
Gottes Sohn spricht: „Man soll sich genau vorsehen, dass man von der Schlange und den Nachkommen der Schlangenfrau keine Hilfe sucht, oder die Festigkeit des Reiches erwartet, denn ihnen naht nun Gottes Gericht, und ihre Tage werden nicht mehr lange dauern.“ Noch einmal offenbarte sich Christus und sagte: „Du sollst gewiss sein, dass diese Frau nicht das gewinnen wird, was sie begehrt, und dass ihre Söhne es nicht gut haben werden. Sie werden keine Nachkommen haben, und an ihre Namen wird man sich von Geschlecht zu Geschlecht nicht mehr erinnern.“