52. Kapitel

Lob sei dir, o Gott!“ sagte die Braut, „für alles, was geschaffen ist, und Ehre für alle deine Tugenden! Alle sollen Dir um deiner Liebe willen Dienst erweisen. Ich, der ich unwürdig und eine Sünderin von Jugend an bin, danke dir, mein Gott, dass du keinem Sünder deine Gnade verweigerst, wenn er darum bittet, sondern dich über alle erbarmst und sie schonst. O liebster Gott, wunderbar ist das, was du mit mir tust, denn wenn es dir gefällt, lässt du meinen Leib mit geistlichem Schlaf einschlummern und erweckst gleichzeitig meine Seele, um geistliche Dinge zu sehen, zu hören und zu empfinden.

O mein Gott, wie lieblich sind deine Worte doch für meine Seele! Sie verschluckt sie wie das leckerste Essen, und sie gehen in mein Herz zu seiner Freude ein. Wenn ich deine Worte höre, dann bin ich satt und hungrig. Ich bin satt, denn mich erfreut nichts als deine Worte, aber wenn ich hungrig bin, begehre ich nichts heißer, als sie zu hören. Schenk mir deshalb, gesegneter Gott, Hilfe, ständig deinen Willen zu tun!“

Christus erwiderte: „Ich bin ohne Anfang und ohne Ende, und alles, was vorhanden ist, ist durch meine Macht geschaffen. Alles wird durch meine Weisheit angeordnet, alles wird durch mein Urteil gelenkt. Alle meine Werke sind von Liebe geleitet, und daher ist mir nichts unmöglich. Aber das Herz ist sehr hart, das mich weder liebt noch fürchtet, obwohl ich der Lenker und Richter aller bin, ja hart ist der Mensch, der lieber den Willen des Teufels tut, der mein Henker und Verräter ist, nachdem er reichlich in der Welt sein Gift verstreut, was bewirkt, dass die Seelen nicht leben können, sondern tot in die Hölle sinken.

Dieses Gift ist die Sünde. Es schmeckt süß, obwohl es der Seele den Tod bringt, und es wird täglich von der Hand des Teufels an viele verteilt. Wer hat etwas dergleichen gehört? Den Menschen wird das Leben angeboten, und sie wählen den Tod! Doch bin ich, der Gott von allen, geduldig und habe Mitleid mit ihrem Elend. Ich bin wie ein König, der mit seinen Dienern Wein verschickt und sagt: „Gebt diesen vielen zu trinken, denn er ist gesund – er gibt den Kranken nämlich Gesundheit, den Betrübten Freude und den Gesunden ein mannhaftes Herz.“

Aber der Wein wird nur in einem geeigneten Gefäß verschickt. So habe ich meine Worte, die mit Wein vergleichbar sind, mit meinen Dienern zu dir gesandt und du bist mein Gefäß, das ich nach meinem Willen füllen und leeren will. Mein Heiliger Geist wird dich lehren, wohin du gehen und was du reden sollst. Daher sollst du froh und unerschrocken sagen, was ich befehle, denn niemand wird mich überwältigen können.“

Da antwortete ich: „O König aller Ehren, Geber aller Weisheit und Verleiher aller Tugenden, warum rufst du mich zu einem solchen Auftrag, der ich mit meinem Leib in Sünden zugebracht habe? Ich bin unklug wie ein Esel und von Tugenden entblößt. Ich habe in allem gesündigt und mich nicht gebessert.

Der Geist erwiderte: „Wer wundert sich, wenn ein Herr eine Münze oder ein Metallstück in Händen hält, und davon Kronen, Ringe oder Krüge zu seinem Nutzen anfertigen lässt? Ebenso wenig ist es zu verwundern, wenn ich das Herz meiner Freunde nehme, das mir in die Hände kommt, und in ihnen meinen Willen tue. Nun hat ein Geringerer Führungsqualitäten, und ein anderer größere. So benutze ich das Gewissen eines jeden, wie es zu meiner Ehre dient, denn das Herz des Gerechten ist meine Münze. Sei daher standhaft und bereit, meinem Willen zu folgen!“

Darauf sprach Gottes Mutter zu mir und sagte: „Was sagen die stolzen Frauen in deinem Reich?“ Ich antwortete ihr: „Ich bin eine von denen, und daher scheue ich mich, in deinem Beisein zu reden.“ Die Mutter sagte: „Obwohl ich dies besser weiß als du, will ich es doch von dir hören.“ Ich antwortete: „Als uns wahre Demut gepredigt wurde, da sagten wir, dass unsere Väter uns ausgedehnte Besitzungen und schöne Sitten als Erbe gegeben hätten. Warum sollten wir ihnen da nicht nacheifern? Unsere Mutter saß unter den Ersten, vornehm gekleidet; sie hatte viele Diener und gab uns eine Standesgemäße Erziehung. Warum sollte ich meiner Tochter nicht dasselbe Erbe geben, was ich zu lernen hatte – nämlich vornehm aufzutreten, mit körperlicher Freude zu leben, und mit großer weltlicher Ehre zu sterben?“

Gottes Mutter erwiderte: „Jede Frau, die diese Worte in die Tat umsetzt, geht den geraden Weg zur Hölle. Deshalb ist eine solche Antwort schwer. Was nützt es, ein solches Gespräch zu führen? Der Schöpfer aller Dinge ließ seinen Leib mit aller Demut von seiner Geburt bis zu seinem Tode auf der Erde bleiben, und nahm nie die Kleider des Hochmuts an. Wahrhaftig, solche Frauen wie diese betrachten sein Antlitz nicht so, wie es war, als er sterbend am Kreuz hing, blutend und bleich vom Leiden; sie achten nicht auf all die Schmähung, die er zu hören bekam, oder auf den schimpflichen Tod, den er wählte, und sie denken nicht daran, was für ein Platz es war, wo er den Geist aufgab – denn dort, wo Diebe und Räuber gepeinigt werden, wurde mein Sohn gemartert.

Ich bin ihm am liebsten von allen Geschöpfen, und in mir ist alle Demut, und ich war dort zugegen. Die, welche so hoffärtig und großtuerisch leben und andere veranlassen, es ihnen gleich zu tun, die sind wie ein stinkender Bottich, mit brennend heißer Flüssigkeit gefüllt, die alle verbrennt und befleckt, die davon betroffen werden. Die Hochmütigen lehren andere durch ihr Beispiel den Hochmut und brennen die Seele grausam durch ihr schlechtes Vorbild.

Deshalb will ich nun verfahren wie eine gute Mutter, die ihre Kinder erschreckt, indem sie ihnen die Rute zeigt, die auch die Diener sehen müssen. Wenn die Kinder sie zu sehen bekommen, fürchten sie die Mutter zu erzürnen, und danken ihr dafür, dass sie ihnen nur drohte, sie aber nicht schlug. Die Diener ihrerseits fürchten, Schläge zu bekommen, wenn sie sich schuldig machen, und aus dieser Furcht vor der Mutter im Hause tun die Kinder mehr Gutes als vorher, die Diener weniger Böses.

Da ich nun die Mutter des Erbarmens bin, will ich dir den Lohn der Sünde zeigen, so dass Gottes Freunde eifriger in der Liebe zu Gott werden, und so, dass die Sünder, wenn sie die Gefahr zu sehen bekommen, die Sünde zumindesten aus Furcht fliehen – und auf diese Weise erbarme ich mich über Gute und Böse; über die Guten, damit sie eine größere Krone im Himmel erhalten sollen, und über die Bösen, dass ihre Strafe geringer wird. Und niemand ist ein so großer Sünder, dass ich nicht bereit bin, ihm entgegen zu eilen, und mein Sohn, ihm Gnade zu schenken, falls er liebevoll um Erbarmen bittet.“

Danach zeigten sich drei Frauen: Eine Mutter, eine Tochter und eine Enkelin. Die Mutter und die Enkeltochter schienen tot, aber die Tochter schien zu leben. Man sah, wie die tote Mutter gleichsam aus einer dunklen und schmutzigen Pfütze herauskroch. Ihr Herz war herausgezogen, und die Lippen abgeschnitten; das Kinn bebte, und die langen, weißen Zähne klapperten. Die Nase war kaputt genagt, und die ausgedrückten Augen hingen an zwei Fäden auf die Wangen herunter. Die Stirn schien eingesunken, und an ihrer Stelle war ein gewaltiger, dunkler Schlund. Es war kein Fleisch auf dem Kopf; das Hirn quoll hervor wie geschmolzenes Blei und floss heraus wie Teer. Ihr Hals schwenkte herum wie das Holz, das auf der Drehbank gedrechselt wird und gegen das das schärfste Eisen angesetzt ist, so dass es rücksichtslos abgeteilt wird.

Die Brust war offen und voll von langen, dünnen Würmern, die sich umeinander schlängelten. Die Arme waren wie Griffe am Schleifstein. Die Hände sahen aus wie lange Knüttel, und ihre Rückseite[1] waren alle lose, so dass eines hinaufging und eins hinunter, und das ohne Unterlass. Eine lange, dicke Schlange reckte sich vom Unterteil des Magens bis zu seinem Oberteil. Sie vereinigte den Kopf mit dem Schwanz und drehte sich unaufhörlich wie ein Rad in den Eingeweiden der Frau. Die Beine sahen aus wie zwei stachlige Stöcke, voll von spitzesten Dornen. Die Füße sahen aus wie Kröten.

Diese tote Mutter sprach zu ihrer lebenden Tochter und sagte: „Höre, meine Tochter, du giftige Eidechse! Weh mir, dass ich jemals deine Mutter geworden bin! Ich war es, die dich ins Nest des Hochmuts gelegt hat. Da wurdest du gewärmt und bist herangewachsen, bis du groß wurdest, und das gefiel dir auch so gut, dass du deine ganze Lebenszeit damit vertrödelt hast. Deshalb sage ich dir, dass du – so oft du deine Augen mit Hochmut bewegst, wie ich dich gelehrt habe, mir siedendes Gift in die Augen gießt.

So oft du Worte der Hoffart sprichst, wie ich dir lehrte, schlucke ich den bittersten Trank. So oft sich deine Ohren mit dem Wind der Hoffart füllen, wie sie die Wogen der Einbildung hervorrufen, d.h. so oft du das Kompliment für deinen Körper hörst und auf weltliche Ehrenbezeugungen ausbist, wie du von mir gelernt hast, kommt ein schrecklicher Donner wie ein pfeifender und brennender Wind in meine Ohren. Wehe mir deshalb, ich Arme, Elende! Arm bin ich, weil ich weder etwas Gutes habe noch empfinde, elend, weil ich Überfluss an allem Bösen habe.

Aber du, Tochter, bist wie der Schwanz an einer Kuh, die an schmutzige Stellen geht, und die – so oft sie mit dem Schwanz schlägt, die bespritzt und beschmutzt, die nahe bei ihr sind. Ja, meine Tochter, du bist wie eine Kuh, denn du hast keine göttliche Weisheit, und du gehst so, wie es dein Körper tut und sich bewegt. So oft du meine Gewohnheiten und Taten nachahmst, d.h. die Sünden, die ich dich gelehrt habe, wird deshalb meine Pein erneuert und brennt noch heißer, als vorher.

Warum, meine Tochter, bist du da noch stolz auf dein Geschlecht? Ist es da noch ehrenvoll für dich, dass der Dreck meiner Eingeweide dein Kopfkissen war? Mein Schamteil bildete deinen Ausgang, und die Unreinheit meines Blutes war dein Gewand, als du geboren wurdest. Daher ist jetzt mein Schoß, wo du ruhtest, ganz und gar von Würmern aufgefressen.

Doch warum klage ich über dich, meine Tochter, wenn ich mehr über mich selber klagen sollte? Es sind drei Dinge, die nun besonders mein Herz bedrücken. Das erste ist, dass ich – obwohl ich von Gott zur himmlischen Freude geschaffen war – mein Gewissen missbraucht habe und mich für die Qual der Hölle schuldig gemacht habe. Das zweite ist, dass Gott mich schön wie einen Engel schuf, aber ich habe mich selbst entstellt, so dass ich jetzt mehr wie ein Teufel, als wie ein Engel Gottes bin. Das dritte ist, dass ich die Zeit, die mir vergönnt war, sehr schlecht ausgenutzt habe. Ich habe nämlich eine vergängliche, geringe Sache gewählt, nämlich die Sündenlust, weshalb ich nun etwas unendlich Schlimmes, nämlich die Qual der Hölle, ertragen muss.“

Dann sagte die Frau zur Braut: „Du, die mich sieht, siehst mich nur in einem körperlichen Gleichnis, denn wenn du mich in der Gestalt sehen würdest, die ich wirklich habe, würdest du vor Schreck sterben, da alle meine Glieder Dämonen sind. Daher ist es wahr, wie die Schrift sagt, dass – wie die Gerechten Glieder Gottes sind, so sind die Sünder Glieder des Teufels. Ich erfahre nun, dass Teufel an meiner Seele hängen, nachdem der Wille meines Herzens mich so missgestaltet hat.

Aber höre weiter! Es scheint mir, als ob meine Füße wie Frösche wären. Das liegt daran, dass ich stets in Sünde lebte; deshalb leben nun die Teufel ständig in mir und beißen mich, ohne jemals satt zu werden. Meine Beine sind wie stachlige Stöcke, nachdem mein Wille von meinem fleischlichen Begehren und meiner Lust gelenkt wurde. Dass meine Rückenwirbel lose sind und der eine gegen den anderen stößt, dass meine Sinnesfreude auf Grund von weltlicher Befriedigung aufstieg und manchmal wegen unendlicher Trauer und Zorn über weltliches Unglück heruntersank.

Wie sich der Rücken nach den Bewegungen des Kopfes bewegt, so hätte ich mich stets nach Gottes Willen richten sollen, der das Haupt aller guter Menschen ist. Aber ich habe das nicht getan und deshalb leide ich mit Recht, wie du jetzt siehst. Dass sich eine Schlange vom Unterteil des Magens bis zu seinem Oberteil streckt, wie ein Bogen steht und sich dreht wie ein Rad – das liegt daran, dass meine Lust und mein Begehren ungeordnet waren und ich alles haben wollte und es in vielfacher und unkluger Weise ausgeben wollte. Daher schlängelt sich die Schlange jetzt in meinem Inneren und beißt mich ohne Erbarmen.
Dass meine Brust offen und von Würmern zernagt ist, das zeigt, wie gerecht Gott ist. Ich habe das, was verfault war, mehr geliebt als Gott, und die Liebe meines Herzens galt dem Vergänglichen. Und daher ist meine Seele wegen des verfaulten Zeugs, das ich geliebt habe, voller Dämonen, so wie längere Würmer aus kleinen Würmern entstehen.

Meine Arme sehen aus wie Griffe am Schleifstein, und das liegt daran, dass mein Begehren sozusagen zwei Arme hatte, denn ich wünschte mir ein langes Leben, damit ich noch lange in der Sünde leben könnte, und ich hoffte und wünschte auch, dass Gottes Gericht milder sein würde, als die Schrift es sagt. Mein Gewissen sagte mir allerdings, dass meine Zeit kurz und Gottes Gericht unerträglich sei. Aber mein Wunsch, zu sündigen, gab mir stattdessen ein, dass mein Leben lang und Gottes Gericht erträglich sei.

Und durch solche Gedanken wurde mein Gewissen verdreht, und so folgte der Wille und Verstand der Wollust und Begierde. Daher bewegt sich nun der Teufel in meiner Seele gegen meinen Willen, und mein Gewissen versteht und spürt, dass Gottes Gericht gerecht ist. Meine Hände gleichen langen Keulen. Das liegt daran, dass mir Gottes Gebote nicht angenehm waren. Deshalb sind mir meine Hände eine Last und zu nichts nütze.

Mein Hals dreht sich (?) wie ein Holzstück, das mit einem spitzen Eisen gedrechselt wird. Das liegt daran, dass Gottes Worte in der Liebe meines Herzens nicht angenehm zu schlucken waren, sondern sehr bitter, da sie die Lust und das Begehren meines Herzens straften. Deshalb steht nun ein scharfes Eisen gegen meine Kehle. Meine Lippen sind abgeschnitten, weil sie schnell hoffärtige und unanständige Worte gebrauchten, aber träge und unwillig waren, Gottes Wort zu reden.

Das Kinn scheint zu zittern und die Zähne zu klappern, und das liegt daran, dass ich fest entschlossen war, meinem Körper Nahrung zu geben, so dass ich schön und begehrenswert aussehen sollte und gesund und kräftig für alle Belustigungen des Körpers sein sollte, und daher zittert das Kinn ohne Erbarmen und klappern die Zähne, denn die Arbeit der Zähne war für die Seele ohne Nutzen.

Die Nase ist abgeschnitten, denn so wie man bei euch die verachtet, die sich in dieser Weise versündigen, so ist mir das Brandmal der Schande auf ewig eingedrückt. Dass die Augen mit zwei Fäden auf die Wangen herunterhängen, das ist richtig, denn wie die Augen sich an der Schönheit der Wangen erfreuten, die zur Prahlerei gezeigt werden, so sind sie durch vieles Weinen ausgetreten und hängen auf die Wangen herunter.

Meine Stirn ist gerechterweise eingesunken, und an ihrer Stelle befindet sich ein dunkler Schlund, denn ich habe meine Stirn mit dem Schleier der Hoffart umgeben und wollte meiner Schönheit wegen angeschaut und bewundert werden. Deshalb ist meine Stirn jetzt dunkel und missgestaltet. Dass das Gehirn hervorquillt und wie Blei und Teer ausfließt, ist gerecht, denn wie das Blei weich und biegsam ist, wie der es will, der es benutzt, so biegsam war mein Gewissen, das seinen Platz im Gehirn hatte, nach dem Willen meines Herzens, obwohl ich sehr genau wusste, was ich hätte tun müssen.

Das Leiden von Gottes Sohn hatte nie einen festen Platz in meinem Herzen, sondern floss aus wie das, was ich sehr genau kannte, aber nicht darauf achtete. Und das Blut, das aus den Gliedern des Gottessohnes floss, kümmerte mich nicht mehr als Teer, und ich bewahrte Gottes Liebesworte nur wie Teer, damit es die Vergnügungen meines Leibes nicht stören und zunichte machen sollte.

Sicher hörte ich auch manchmal mit Rücksicht auf Menschen auf Gottes Wort, aber sie gingen mit derselben Leichtigkeit aus meinem Herzen heraus, wie sie hineingekommen waren, und deshalb fließt jetzt das Hirn aus, wie siedender Teer. Meine Ohren sind mit harten Steinen verschlossen, denn die Worte der Hoffart gingen froh in sie hinein und stiegen ins Herz hinunter, nachdem die Liebe zu Gott aus meinem Herzen ausgeschlossen war. Und weil ich für die Welt und um der Hoffart willen alles tat, was ich nur konnte, deshalb sind jetzt freudenreiche Worte aus meinen Ohren verbannt.

Aber nun kannst du fragen, ob ich nicht doch manche verdienstliche Werke getan habe. Ich antworte dir: Ich habe gehandelt wie ein Geldwechsler, der eine Münze zerbricht und sie dem Besitzer so zurückgibt. Ich habe gefastet, habe Almosen gegeben und andere Taten getan, aber tat sie aus Furcht vor der Hölle, und um körperliches Unglück zu umgehen, und nachdem die Liebe zu Gott von meinen Taten fern war, daher halfen sie mir nicht, den Himmel zu gewinnen.
Doch blieben sie nicht ohne Lohn. Weiter kannst du fragen, wie ich inwendig in meinem Willen bin, wenn ich nach außen so abscheulich bin. Ich antworte: Mein Wille ist wie ein Totschläger, ja wie ein Muttermörder, der die, die ihn geboren hat, willig totschlägt. Ich wünsche nämlich Gott, meinem Schöpfer, das Schlechteste, der mir doch das Allerbeste und Allerliebste war.“

Nun sprach die tote Enkeltochter von dieser toten Großmutter. Sie sagte zu ihrer Mutter, die noch lebte: „Höre, meine Mutter, du Skorpion! Weh mir, so hast du mich betrogen! Du zeigtest mir ein mildes Gesicht, während du mir grausam ins Herz stachst. Du hast mir nämlich drei Ratschläge mit diesem Mund gegeben, drei Dinge lernte ich von deinen Taten, und drei Wege zeigtest du mir, als du weitergingst.

Der erste Ratschlag war, körperliche Liebe zu hegen, um körperliche Freundschaft zu gewinnen. Der zweite war, zeitliche Dinge verschwenderisch für weltliche Ehre auszugeben. Der dritte war, sich für körperliches Vergnügen Zeit zu nehmen. Diese drei Ratschläge wurden mir teuer. Denn nachdem ich körperlich geliebt hatte, erntete ich Schande und Missgunst. Nachdem ich mit zeitlichen Gütern verschwenderisch umgegangen bin, verlor ich Gottes Gnadengaben im Leben und musste mich nach dem Tode schämen. Nachdem ich mich über die Ruhe und Bequemlichkeit des Körpers freute, als ich noch lebte, fing meine Seele in der Todesstunde an, unruhig zu werden, ohne irgendwelchen Trost zu finden.

Drei Dinge habe ich, wie gesagt, von deinen Taten gelernt: Erstens, ein paar gute Taten zu tun, aber doch die Sünde nicht abzulegen, die mir Vergnügen machte. Wie es dem geht, der Honig mit Gift vermischt und das dem Richter anbietet, der darüber zornig wird und es über den Geber ausschüttet, das muss ich jetzt in viel Angst und Not erfahren. Zweitens lernte ich, mich auf eine besondere Art zu kleiden, nämlich die Augen mit einem Leinentuch zu bedecken, Sandalen an den Füßen und Handschuhe an den Händen und den ganzen Hals bloß zu tragen.

Dieses Leinentuch, das die Augen verhüllte, bezeichnet die Schönheit meines Körpers, die meine geistlichen Augen so verdunkelte, dass ich nicht mehr auf die Schönheit meiner Seele achtete. Die Sandalen, die die Füße unten, aber nicht oben schützten, bezeichnen den heiligen Glauben der Kirche, den ich treulich hielt, dem ich aber keine fruchtbringende Taten folgen ließ. Denn wie die Sandalen die Füße vorantragen, so trug mein Gewissen, das fest im Glauben stand, die Seele vorwärts – aber nachdem da keine guten Taten folgten, war die Seele gleichsam nackt.

Die Handschuhe an den Händen bezeichnen die eitle Hoffnung, die ich hatte. Meine Werke, die durch die Hände bezeichnet werden, streckte ich nämlich nach einer so raschen und freigebigen Barmherzigkeit Gottes aus (die wird durch die Handschuhe bezeichnet), dass – als ich Gottes Gerechtigkeit berührte, so spürte ich sie weder noch kümmerte ich mich auch darum; so dreist war ich dabei, zu sündigen.

Aber als der Tod nahte, fiel das Leinentuch von meinen Augen zu Boden, d.h. über meinen Körper, und da sah die Seele sich selbst und begriff, dass sie nackt war, denn meine guten Taten waren wenige, aber die Sünden umso mehr. Und vor Scham konnte ich mich nicht im Schloss des ewigen Königs aufhalten, denn ich war erbärmlich schlecht gekleidet, und so zogen mich die Geister des Abgrunds in einen Raum der Pein, wo ich verspottet und beschimpft wurde.

Das dritte, was ich von dir lernte, Mutter, war, den Knecht in die Kleider des Bauern zu kleiden, ihn auf den Platz des Bauern zu setzen und ihn wie den Bauern zu ehren, aber das, was der Knecht übrig ließ, und andere schäbige Dinge dem Bauern zu geben.
Der Bauer, von dem ich rede, ist die Liebe zu Gott; der Knecht ist der Wille, zu sündigen. In mein Herz, wo die göttliche Liebe hätte herrschen sollen, setzte ich den Knecht, d.h. die Begierde und Lust, zu sündigen. Ich kleidete ihn, als ich alles Geschaffene und Zeitliche zu meiner Wollust verwandte; die Überreste und den verächtlichen Abfall gab ich dagegen Gott, aber nicht aus Liebe, sondern aus Furcht.

Mein Herz war so erfreut, als ich bekam, was ich haben wollte, denn die Gottesliebe war fern von mir; der gute Bauer war ausgesperrt, und der Knecht war drinnen. Sieh, Mutter, diese drei Dinge habe ich von deinen Taten gelernt.

Du hast mir auch drei Wege gezeigt, die du gegangen bist. Der erste war das Licht, und als ich darauf zuging, wurde ich von seinem Glanz geblendet. Der zweite war kurz und glatt wie Eis, und als ich einen Schritt darauf ging, glitt ich einen Schritt zurück. Der dritte war sehr lang, und als ich darauf ging, kam mir ein gewaltiger Sturm nach und führte mich unter einen Berg, hinab in ein tiefes Grab.

Mit dem ersten Weg wird meine fortschreitende Hoffart bezeichnet, die sehr hell war, denn der Hang zur Prahlerei, der von der Hoffart herrührt, leuchtete mir so stark ins Auge, dass ich gar nicht an sein Ende dachte. So wurde ich geblendet. Mit dem zweiten Weg wird der Ungehorsam bezeichnet. Die Zeit des Ungehorsams ist in diesem Leben gewiss nicht lang, denn nach dem Tode wird der Mensch gezwungen, zu gehorchen. Doch war er für mich lang, denn als ich durch demütiges Beichten einen Schritt voranging, rutschte ich einen anderen Schritt zurück. Denn ich wollte, dass die gebeichtete Sünde vergeben werden sollte, aber nach abgelegter Beichte wollte ich die Sünde nicht unterlassen, und so stand ich nicht ständig auf dem Pfade des Gehorsams, sondern glitt in die Sünde zurück, wie der, der auf dem Eise ausrutscht, denn der Wille war kalt und wollte nicht darauf verzichten, was mir Vergnügen bereitete.

Als ich also dadurch, dass ich meine Sünden beichtete, einen Schritt vorwärts tat, glitt ich einen anderen Schritt zurück, denn nach der Beichte wollte ich die Sünden wieder tun, die mir Spaß machten. Der dritte Weg war, dass ich auf das Unmögliche hoffte, d.h. Sünde zu begehen, aber keine lange Strafe zu bekommen und auch lange zu leben und die Todesstunde von sich fern zu halten.

Als ich den Weg eingeschlagen hatte, kam ein gewaltiger Sturm hinter mir her, nämlich der Tod, der mich von einem Jahr ins andere warf und mir Fußtritte mit der Pein einer Krankheit versetzte. Was bedeuten die Füße anderes, als dass ich, als die Krankheit nahte, nur wenig auf den Nutzen des Leibes achtete, und noch weniger auf das Wohlergehen der Seele? Ich fiel in ein tiefes Grab, als das Herz brach, das hoch im Übermut und verhärtet in der Sünde war, und die Seele den tiefen Fall ins Grab der Sündenstrafe tat. Dieser Weg war mir sehr lang, denn nach dem Ende des fleischlichen Lebens nahm gleich eine lange Pein ihren Anfang. Wehe mir deshalb, meine Mutter, denn was ich mit Freuden von dir lernte, das muss ich jetzt mit Weinen büßen!“

Weiter sprach dieselbe tote Tochter zur Braut (Birgitta), die dies sah, und sagte: „Höre, die du mich siehst! Es scheint dir, als ob mein Kopf und mein Gesicht wie ein Gewitter sei, das innen und außen blitzt, und Hals und Brust scheinen wie eine Presse mit langen Stacheln gesetzt. Meine Arme und Füße sind wie lange Schlangen, und der Bauch wird mit harten Hämmern bearbeitet. Meine Knochen sind wie Wasser, das in gefrorenem Zustand von Fallrohren herabhängt.

Aber ich habe eine innere Plage, die mir bitterer als all dieses ist. Stell dir einen Menschen vor, dessen Atmungsorgane alle verschlossen und dessen Adern alle mit Luft gefüllt sind, die sich zum Herzen hin zusammendrängt, so dass dieses dabei ist, durch die Stärke des Luftstroms zu zerspringen. So bin ich, Elende, in meinem Innern, weil der Hochmut so blies, der mir so lieb war.

Ich befinde mich jedoch auf dem Wege des Erbarmens, denn in meiner letzten Krankheit beichtete ich, so gut ich konnte – vielleicht aus Furcht – und als der Tod sich nahte, kam es mir in den Sinn, das Leiden meines Gottes zu betrachten, und ich dachte daran, wie viel bitterer es war als mein eigenes, das ich meiner Sünden wegen ja verdient hatte. Durch dieses Nachdenken vergaß ich Tränen, und ich weinte darüber, dass Gottes Liebe zu mir so groß war, und meine Liebe zu ihm so klein.

Ich betrachtete ihn da mit den Augen meines Gewissens und sagte: „O Herr, ich glaube, dass du mein Gott bist, erbarme dich über mich, du Sohn der Jungfrau, um deines bitteren Leidens willen! Ich würde fortan mein Leben gern bessern, wenn ich noch Zeit hätte.“

Und in diesem Augenblick wurde ein Funken von Liebe in meinem Herzen entzündet, so dass mir Christi Leiden bitterer schien, als mein eigener Tod. So brach mir da das Herz, und meine Seele geriet da in die Hände des Teufels, der sie vor Gottes Gericht führte. Ich kam in die Hände des Teufels, weil ich unwürdig war, dass schöne Engel einer so missgestalteten Seele nahen würden. Aber als die Teufel vor Gottes Richterstuhl riefen, dass meine Seele zur Hölle verdammt werden müsste, erwiderte der Richter: „Ich sehe doch einen Funken Liebe in ihren Herzen, und der darf nicht ausgelöscht werden, sondern mir vor Augen sein. Deshalb verurteile ich die Seele zur Peinigung, bis sie – entsprechend würdig gereinigt – verdient, Vergebung zu empfangen.“

„Weiter kannst du fragen, ob ich an all dem Guten teilhabe, das für mich getan wird. Ich antworte dir in einem Gleichnis. Stell dir vor, dass du zwei Waagschalen hängen siehst, und dass in der einen Blei ist, das von Natur aus herunterdrückt, und in der anderen etwas Leichtes ist, so dass die Schale sich oben hält. Je mehr und je größere Dinge man da in die leere Waagschale legt, umso schneller hebt sich die andere Waagschale, die vorher schwer war.

So ist es auch mit mir, denn je höher ich in der Sünde war, umso tiefer sank ich in die Strafe, die ich jetzt leide. Alles, was nun zu Gottes Ehre für mich getan wird, das hebt mich aus dem Raum der Peinigung heraus – und besonders die Gebete und guten Werke, die gerechte Menschen und Gottes Freunde tun, und die Almosen, die aus gut erworbenen Gütern gespendet werden, sowie Liebeswerke. Das ist das, das mich Gott Tag für Tag nahe bringt.“

Danach sagte die Gottesmutter zur Braut: „Du möchtest wissen, wie ich, die Königin des Himmels, du, die in der Welt lebt, die Seele, die im Fegefeuer ist, und die, die in der Hölle ist, miteinander reden können.
Das will ich dir jetzt erklären. Ich verlasse nie den Himmel, denn ich kann nie von der Anschauung Gottes geschieden werden. Auch kann die Seele, die in der Hölle ist, nicht von der Qual getrennt werden, und auch nicht eine Seele aus dem Fegefeuer, ehe sie gereinigt ist, und es ist auch unmöglich für dich, vor Ende deines körperlichen Lebens zu uns zu kommen.

Aber deine Seele und dein Verstand wurden durch die Kraft von Gottes Geist erhoben, um Gottes Wort im Himmel zu vernehmen, und es wird dir auch gestattet, einige Plagen in der Hölle und im Fegefeuer kennen zu lernen – den Bösen zur Warnung und den Guten zum Trost und zur Vervollkommnung. Wisse aber, dass dein Leib und deine Seele auf Erden vereint sind, aber dass der Heilige Geist, der im Himmel ist, dir die Fähigkeit verleiht, seinen Willen zu verstehen.“

Erklärung
Hier wird von drei Frauen gesprochen, von denen die dritte ins Kloster ging und den Rest ihres Lebens in großer Vollkommenheit zubrachte.

[1]. Ryggtavlor – was hier damit gemeint ist, ist unklar (= Oberseite der Hand?).