70. Kapitel

Man sah die Seele eines verstorbenen Kardinals auf einem Holzbalken sitzen, und vier Neger richteten vier Räume ein, durch die diese Seele fahren sollte. Im ersten Raum lagen verschiedene Arten von Kleiden, die die Seele in diesem Leben geliebt hatte. Im zweiten Raum waren goldene und silberne Gefäße und andere Arten von Haushaltsgerät, aus denen die Seele in diesem Leben Freude hatte. Im dritten Raum waren Speisegeräte und andere Wohlgerüche, von denen die Seele mit dem Körper erquickt wurde. Im vierten Raum waren Pferde und andere Tiere, von denen die Seele getragen wurde, als sie noch mit dem Körper vereint war.

Als nun die Seele durch den ersten Raum, nämlich die Kleiderkammer ging, wurde sie von einer unerträglichen Kälte geplagt und von einer fürchterlichen Last bedrückt, und sie rief da kläglich und sagte: „Weh mir, denn ich habe das Schöne mehr als das Nützliche geliebt; ich habe es nämlich geliebt, erhöht und gepriesen zu werden. Daher ist es gerecht, dass ich von den Füßen der Teufel getreten und unterdrückt werde.“

Als sie durch den zweiten Raum ging, spürte sie kochendes Pech und eine lodernde Flamme um sich herum, und da rief die Seele: „Weh mir, weh in Ewigkeit, denn ich habe getrunken und wieder getrunken, ich habe das Glanzvolle und Irdische gesucht, und deshalb bin ich nun wert, vom Strom der teuflischen Wollust berauscht zu werden.“

Als die Seele durch den dritten Raum ging, spürte sie den hässlichsten Gestank und glühende Schlangen, und da schrie sie schrecklich und sagte: „ O, o, ich habe die Dienstmagd geliebt und die Herrin verschmäht; ich habe das Süße geliebt, und deshalb verdiene ich nun, das Bittere zu schmecken.“

Als die Seele durch den vierten Raum ging, hörte sie einen schrecklichen Laut wie von einem Donner, und da rief sie kläglich in ihrem Schreck: „O wie gerecht ist doch meine Vergeltung!“ Danach hörte man eine andere Stimme, die sagte: „Was denkt der Mensch auf Erden, wenn nicht, dass der Sohn Gottes lügt, wenn er sagt, dass der Mensch beim Gericht Rechenschaft über die kleinste Äußerung ablegen wird? Aber ich sage, was noch mehr ist: Dass der Mensch Rechenschaft über jeden Augenblick und jeden Pfennig ablegen muss, für jede Speise und jeden Trank und über alle Gedanken und Worte, sofern sie nicht durch Reue und Buße ausgelöscht werden.“

Und soll sich doch die Priesterschaft, die Kardinäle und Bischöfe nicht einbilden, dass ich keine Rechenschaft für meine Almosen fordern werde, die sie ohne Furcht und Frömmigkeit verzehren, ja ohne Furcht verschlingen. Ja, sollen sie doch wissen, dass die Seelen, die die Güter besessen haben, auf die sie jetzt stolz sind, in meinen Augen Strafe dafür verlangen!

In Wahrheit, Tochter, ich werde sorgfältig richten und erforschen, aus welchen Gründen sie meine Opfergaben erheben, und Menschen und Engel werden sie richten. Denn ich und meine Freunde haben meine Kirche reich gemacht, damit die Kleriker mir umso sicherer dienen können. Aber jetzt leben die Kleriker nicht wie Freunde und beten nicht so, dass sie erhört werden. Deshalb werde ich die Seelen derer vom Tisch meiner Gnade und meiner Pein beschenken, die diese Güter besessen haben, und mich über sie erbarmen.“