97. Kapitel

Ein nach weltlichen Begriffen hoher Herr, der lange nicht gebeichtet hatte, wurde schwer krank. Die Braut empfand Mitleid mit ihm und betete für ihn. Da offenbarte sich Christus der Braut und sagte zu ihr: „Sage deinem Beichtvater, dass er diesen Kranken besucht, um seine Beichte zu hören.“

Als der Beichtvater kam, sagte der Kranke, er brauchte keine Beichte und beteuerte, dass er oft gebeichtet habe. Am nächsten Tage befahl Christus dem Beichtvater, einen neuen Versuch zu machen. Als der zum Kranken kam, erhielt er ungefähr die gleiche Antwort wie beim letzten Mal. Am dritten Tag kam der Beichtvater noch einmal zu dem Kranken, und nach der Offenbarung, die Christi Braut mitgeteilt worden war, sprach er zu dem Kranken so: „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes und Beherrscher des Teufels, sagt dir: „Du hast sieben Teufel in dir.

Der erste sitzt im Herzen und bindet es, so dass du keine Reue über deine Sünden empfindest. Der zweite sitzt in den Augen, so dass du nicht siehst, was für deine Seele nützlich ist. Der dritte sitzt in deinem Mund, so dass du nicht das redest, was Gottes Ehre dient. Der vierte sitzt in deinen unteren Gliedern, und deshalb liebst du alles, was unrein ist.

Der fünfte sitzt in deinen Händen und Füßen, und daher hast du dich nicht gescheut, Menschen zu berauben und umzubringen. Der sechste ist in deinen Eingeweiden, und deshalb bist du der Schwelgerei und Trunksucht verfallen. Der siebente ist in deiner Seele; Gott müsste da sitzen, aber nun sitzt der Teufel, sein Widersacher, da. Tu daher schleunigst Reue, denn noch ist Gott dir gnädig.“

Da antwortete der Kranke unter Tränen: „Wie kannst du behaupten, dass ich Gnade finden werde, der ich von so vielen offenbaren Sünden befleckt bin?“ Der Beichtvater sagte: „Ich beteuere dir, ja ich weiß es, dass du – auch wenn du noch größere Sünden begangen hast, so kannst du doch durch Reue erlöst werden.“

Da sagte er wieder unter Tränen: „Ich bin an der Rettung meiner Seele verzweifelt, denn ich habe dem Teufel gedient, der oft mit mir gesprochen hat. Ich bin nun 60 Jahre alt und habe noch nie eine Beichte abgelegt oder Christi Leib empfangen, sondern ich gab vor, Sachen erledigen zu müssen, wenn andere kommunizierten. Aber nun bekenne ich dir, Vater, dass ich mich nicht erinnern kann, solche Tränen geweint zu haben, wie jetzt.“
Er beichtete also viermal an dem Tage, und am folgenden Tage nahm er auch nach der Beichte Christi Leib, und den sechsten Tag darauf starb er.

Christus sagte über diesen Mann zur Braut: „Dieser Mann diente dem Räuber, dessen Gefahr ich dir vorher gezeigt habe, und nun ist der Teufel von ihm gewichen, dem er gedient hat, und das auf Grund der Reue, die der Mann gehabt hat. Er ist nun ins Fegefeuer gekommen, und das Zeichen für seine Rettung ist die Reue, die er am Ende hatte.

Aber jetzt kannst du fragen: Wie konnte der Mann, der in so große Sünden verstrickt war, es verdienen, Reue zu empfinden? Ich antworte dir: Das hat meine Liebe getan, die bis zum letzten Augenblick auf die Umkehr des Menschen wartet, und das Verdienst meiner Mutter. Denn wenn dieser Mann sie auch in seinem Herzen nicht geliebt hat, war er es doch gewohnt, Mitleid mit ihrem Schmerz zu empfinden, so oft er ihn betrachtete und davon reden hörte, und deshalb fand er den Weg der Erlösung und wurde gerettet.“