3. Kapitel

Die Mutter Gottes sagte: ”Ich will dem Bischof darlegen, was er für Gott tun soll, und was Gottes Ehre ist. Jeder Bischof soll die Bischofsmitra in seinen Armen gut verwahren, sie nicht für Geld verkaufen, sie nicht anderen aus irdischer Freundschaft überlassen und nicht aus Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit verlieren.
Was bedeutet die Bischofsmitra anderes, als die bischöfliche Würde und Macht, nämlich Priester zu weihen und die Salbung vorzunehmen, den Irrenden Zurechtzubringen und die Säumigen durch sein Beispiel zu ermuntern?

Und dass er die Mitra wohl verwahrt in den Armen halten soll, das bedeutet, dass er fleißig bedenken soll, auf welche Weise und welche Bischofsmacht er empfangen hat, wie er sie verwaltet hat, welche Frucht sie bringen könnte, und was ihr Ende sein könnte.
Wenn der Bischof nun bedenken will, auf welche Weise er die Macht empfangen hat, soll er erst darüber nachdenken, ob er das Bischofsamt nur für sich selbst oder um Gottes Willen begehrt hat. Wenn es nur für sich selber war, denn war sein Begehren ohne Zweifel menschlich. Aber wenn es um Gottes willen war, d.h. um Gott Ehre zu machen, dann war sein Begehren verdienstvoll und geistlich.

Wenn der Bischof dann bedenkt, wozu er das Bischofsamt empfangen hat, so soll er sich erinnern, dass es gewiss dafür war, dass er der Vater der Armen sowie Tröster der Seelen und ihr Mittler sein soll, denn das Eigentum des Bischofs ist das der Seelen, und wenn es zu keinem Nutzen verzehrt und töricht verschleudert wird, werden diese Seelen nach Rache über den ungerechten Verwalter rufen.
Welche Frucht der Bischofswürde das sein soll, will ich dir sagen. Sie ist, wie Paulus sagt, doppelt, nämlich leiblich und geistlich. Sie ist körperlich, weil er auf Erden Gottes Stellvertreter ist und deshalb, um Gottes Ehre willen, von den Menschen auch wie Gott geehrt wird. Im Himmel wird sie auf Grund der Verherrlichung des Leibes und der Seele körperlich und geistlich sein, denn da wird der Diener beim Herrn sein – sowohl des bischöflichen Wandels wegen, den er auf Erden führte, als auch der beispielhaften Demut wegen, mit der er andere zur Ehre neben sich gerufen hat.

Aber jeder, der die bischöfliche Tracht und Würde trägt, aber den bischöflichen Lebenswandel scheut, der soll sich doppelt schämen. Dass die Bischofsmacht nicht verkauft werden darf, das bedeutet, dass der Bischof nicht bewusst simonitisch sein darf, sein Amt nicht wegen Geld oder Menschengunst ausübt und nicht auf Bitten der Menschen solchen Menschen zu Ämtern verhelfen soll, von denen er weiß, dass deren Leben schlecht ist.
Dass die Mitra anderen nicht aus Freundschaft überlassen werden darf, das bedeutet, dass der Bischof nicht die Sünden der Säumigen übersehen und sie nicht ungestraft lassen darf, die er zurechtweisen kann und muss, dass er die Sünden seiner Freunde nicht um irdischer Freundschaft willen verschweigen darf und auch die Sünden seiner Untergebenen sich selber auf den Rücken laden darf, denn der Bischof ist Gottes Wächter.

Dass der Bischof die Mitra nicht aus Versehen verlieren darf, das bedeutet, dass der Bischof nicht anderen überlassen soll, was er selbst zu tun verpflichtet ist, und was er selbst in einer mehr fruchtbaren Weise tun kann, und dass er nicht aus körperlicher Bequemlichkeit das anderen überlassen soll, was er selbst in besserer Weise erledigen kann, denn zum Bischofsamt gehört nicht Ruhe, sondern Arbeit.
Der Bischof soll auch nicht unkundig über das Leben und die Sitten derer sein, denen er die Ämter anvertraut, die zu besetzen ihm zukommen, sondern er soll wissen und untersuchen, wie sie die Gerechtigkeit beobachten, und ob sie ihre Ämter mit Klugheit und nicht mit Gewinnsucht verwalten.

Ferner will ich, dass du wissen sollst, dass der Bischof, da er das Amt eines Schafhirten innehat, eine Blütendolde in seinen Armen hat, eine solche, deren Wohlgeruch von nah und fern die Schafe lockt, froh dorthin zu springen. Diese Blütendolde bezeichnet die göttliche Verkündigung, die auszuüben Pflicht des Bischofs ist. Die beiden Arme, auf denen er die Blütendolde der göttlichen Verkündigung hält, sind die für den einen Bischof notwendigen Handlungen, nämlich die guten Taten in der Öffentlichkeit und die guten Taten im Verborgenen. Die sollen bewirken, dass die Schafe, die ihm in seinem Bischofsbereich nahestehen, Gott im Bischof verherrlichen, wenn sie die Liebe des Bischofs in seinen Taten sehen und sie in seinen Worten hören, und die Schafe, die fern sind, sollen das Verlangen spüren, dem Bischof nachzufolgen, wenn sie sein Lob hören.

Denn das ist doch die schönste Blütendolde: Sich der Wahrheit und Gottes Demut nicht zu schämen, das Gute zu lehren und das, was man lehrt, auch selbst zu tun, in Ehren demütig zu sein, und fromm bei Verschmähungen. Wenn der Bischof diesen Weg vollendet hat und bis ans Tor gelangt ist, ist es notwendig für ihn, etwas in Händen zu haben, was er dem höchsten König darreichen kann. Daher soll er ein für ihn kostbares Gefäß in Händen haben, und dies soll er dem höchsten König leer darbieten. Dieses leere Gefäß, das angeboten werden soll, ist sein Herz, und damit es leer von aller Wollust und allem Trachten nach vergänglichem Lob sei, soll er Tag und Nacht arbeiten.

Wenn ein solcher Bischof in das Reich der Herrlichkeit geleitet werden wird, wird Jesus Christus, wahrer Gott und Mensch, ihm mit seiner ganzen Heerschar von Heiligen entgegeneilen, und dann wird er die Engel sagen hören: „Unser Gott, unsere Freude und all unser Gut! Dieser Bischof war rein im Fleisch und wacker in seinem Tun; es ziemt sich daher für uns, ihn zu dir zu führen, denn er hat sich täglich nach unserer Gesellschaft gesehnt. Erfülle daher sein Verlangen und vermehre unsere Freude durch seine Ankunft!“

Dann werden auch die anderen Heiligen sagen: „Gott, unsere Freude ist von dir und in dir, und wir brauche auch nichts anderes. Doch unsere Freude wird dadurch erweckt, dass die Seele dieses Bischofs Freude empfindet, er, der sich nach dir sehne, als er lebte. Er trug ja die lieblichsten Blüten in seinem Munde, durch die er unsere Anzahl erhöht hat, und in seinem Wirken, durch das er die erquickte, die nah und ferne wohnten. Gönne ihm daher, sich mit uns zu freuen, und freue auch du dich über ihn, denn du sehntest dich ja so sehr nach ihm, dass du um seinetwillen sterben wolltest.“

Zuletzt wird der Ehrenkönig zu ihm sagen: „Mein Freund, du bist gekommen, um mir das Gefäß deines Herzens zu übergeben, leer von dir selbst und deinem eigenen Willen; ich will dich deshalb mit meiner Freude und meiner Ehre erfüllen. Meine Freude soll auch deine sein, und deine Ehre will ich niemals enden lassen.“